Never Knowing - Endlose Angst
dachte daran, wie John seine Opfer depersonalisierte – wenn ich es doch genauso machen könnte.
»Hat er sie …«
»Sie wurde nicht vergewaltigt, aber erdrosselt.« Billys Stimme war ruhig, aber er drehte seinen BlackBerry unablässig in den Händen hin und her.
Ich runzelte die Stirn. »Das ist nicht seine übliche Vorgehensweise …«
»Wir wissen nicht, warum er von seinem Muster abgewichen ist. Durch die Situation mit Ihnen ist es ihm möglicherweise schwergefallen, sein Ritual durchzuführen, aber wir sind uns sicher, dass er es war. Wir untersuchen noch den Tatort. Es sieht so aus, als hätte er sie an der Straße rausgelassen und sie anschließend durch den Wald gehetzt.«
Eine Woge der Übelkeit überkam mich. »O mein Gott, ich habe ihm gesagt, er soll sie einfach an der Straße rauslassen.«
»Vielleicht hat er versucht, es genau so zu machen. Aber dann lief sie davon, und das erregte ihn. Oder es gab noch einen anderen Auslöser für ihn.«
»Aber er hat sie nicht vergewaltigt.«
»Und das liegt möglicherweise daran, dass Sie sie menschlich gemacht haben – oder weil sie Ihnen ähnlich sah.«
»Sie meinen, weil wir das gleiche Haar haben?«
»Er hat sie wahrscheinlich aufgrund der Ähnlichkeit zu Ihnen ausgesucht, so dass dieser Überfall nicht sexuell motiviert war. Es war ein Versuch, eine Verbindung zu Ihnen herzustellen.«
»Und jetzt ist sie tot.«
Tränen liefen mir aus den Augen. Billy beugte sich vor und ergriff meine Schulter.
»Hey, hören Sie auf. Es ist nicht Ihre Schuld.«
»Doch, im Grunde ist es das. Und ich bin sicher, dass Sandy das auch so sieht.«
Er ließ meine Schulter los. »Sandy weiß, dass es nicht Ihre Schuld ist.«
»Wo ist sie?«
»Sie spricht mit der Familie.«
Ein Gefühl der Beklemmung breitete sich in meiner Brust aus. »Werden sie erfahren, was wirklich geschehen ist?«
»Sie werden erfahren, dass der Campsite-Killer unser Hauptverdächtiger ist und dass wir alles tun, um ihn zu fassen.«
Ich schlug eine Hand vor den Mund, versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken. Billy legte sein Telefon auf den Tisch und beugte sich zu mir vor.
»Alles in Ordnung?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist so furchtbar. Ich wollte doch nur meine leibliche Mutter finden, und jetzt sind meinetwegen zwei Menschen gestorben.«
»Sie sind
seinetwegen
gestorben. Und wenn wir ihn fangen, haben Sie uns dabei geholfen, wer weiß wie viele Frauen zu retten, Sara.«
»Aber wahrscheinlich werden wir ihn jetzt nicht fassen. Er wird nie wieder anrufen.«
»Im Gegenteil, die Chancen stehen gut, dass er sich wieder meldet. Nach einem Mord befindet sich der Mörder in einem Zustand der Ruhe, er verspürt Erleichterung – manche beschreiben das Gefühl auch als Euphorie. Er kann mit niemandem sonst darüber reden, also wird er möglicherweise versuchen, es mit Ihnen zu teilen.«
»Er vertraut mir nicht mehr.«
»Er ist wütend auf Sie, weil Sie ihm etwas verheimlicht haben, aber wir glauben, dass seine Neugier und die Sehnsucht nach einer Familie letztendlich siegen werden. Er wird alles über sein Enkelkind wissen wollen.«
»Was sage ich, wenn er wieder anruft?«
»Entschuldigen Sie sich einfach. Wir wollen nicht, dass er das Gefühl hat, erneut belogen zu werden, also geben Sie es einfach zu und bitten Sie ihn um Verzeihung. Das wird ihm das Gefühl vermitteln, wieder die Kontrolle über Sie zu haben.«
»Er
hat
die Kontrolle.«
»Sie können jederzeit aufhören, Sara. Niemand wird schlecht von Ihnen denken, wenn Sie es tun. Eines Tages werden wir ihn erwischen – er muss irgendwann einen Fehler machen.«
Das war meine Chance. Ich könnte diesen Albtraum hinter mir lassen und mein Leben wieder aufnehmen. Vor meinem geistigen Auge sammelten sich Bilder davon, wie das Leben noch vor wenigen Monaten gewesen war, entspannt, locker, voller Spaß und Gelächter. Alles in mir wollte zurück zu dieser Zeit, wollte diese gewaltige Last abschütteln, dieses Gefühl, hoffnungslos in der Falle zu sitzen. Ich brauchte bloß ja zu sagen, ein einziges Wort, und alles wäre vorbei.
Für
mich
.
»Sara?«
Es war zu spät. Ich war bereits zu weit gegangen.
»Nein. Wir müssen ihn fassen – ich will nicht, dass er noch jemandem etwas antut.«
Er nickte ein paarmal, dann griff er nach seinem Telefon.
»Wir werden dafür sorgen, dass er das nicht tut.«
Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Sind Sie sicher, dass Sie so eine stressige Durchgeknallte in Ihrem Team haben
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