Never Knowing - Endlose Angst
und vor meinen Augen verschwamm alles. Ich zwang mich, Luft zu holen. Ich musste ruhig klingen – musste dafür sorgen, dass
er
ruhig blieb.
»Ich war vorsichtig. Du tust Menschen weh, und …«
»Sie ist meine Enkeltochter!«
Ally schob ihren Wagen zu mir zurück. Ich drückte das Telefon gegen meine Brust.
»Spatz, läufst du bitte zum Ende des Gangs und suchst die Frühstücksflocken aus?« Sie liebte es, bei allen Schachteln die unterschiedlichen Preise herauszufinden, nahm eine Packung heraus, stellte sie zurück, nahm die nächste. Normalerweise trieb mich das schier in den Wahnsinn.
John sagte: »Ist sie gerade bei dir?«
Mist.
Er hatte mich gehört. »Wir kaufen gerade ein.«
»Wie heißt sie?«
Mit jeder Faser meines Körpers wollte ich lügen, doch womöglich wusste er es bereits.
»Ally.« Sie blickte auf. Ich lächelte, und sie wog erneut die verschiedenen Sorten gegeneinander ab.
»Wie alt ist sie?«
»Sechs.«
»Du hättest mir von ihr erzählen sollen.«
Ich wollte ihm sagen, dass er kein Recht hatte, irgendetwas über mein Leben zu erfahren, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, ihn auf die Palme zu bringen.
»Tut mir leid, du hast recht. Aber ich wollte nur meine Tochter schützen. Das würde jede Mutter tun.«
Er schwieg. Eine Frau ging den Gang entlang. Ich trat zur Seite. Was würde sie wohl denken, wenn sie wüsste, mit wem ich gerade sprach?
Er sagte: »Du vertraust mir nicht.«
»Ich habe
Angst
vor dir. Ich verstehe nicht, warum du Danielle umgebracht hast.«
»Ich auch nicht.« Zu Beginn des Gesprächs hatte seine Stimme verärgert und angespannt geklungen, aber jetzt wirkte er beinahe niedergeschlagen. Mein Herzschlag wurde allmählich langsamer.
»Du musst aufhören, Menschen etwas anzutun.« Es klang wie ein Flehen.
Ich hielt den Atem an, erwartete, dass er ausflippen würde, aber er schien sich lediglich verteidigen zu wollen, als er sagte: »Dann darfst du mich nicht wieder anlügen. Und du musst immer mit mir reden, wenn ich es brauche.«
»Ich werde nicht mehr lügen, okay? Und ich werde versuchen, mit dir zu sprechen, wenn du anrufst, aber manchmal sind Leute um mich herum. Wenn ich nicht rangehe, kannst du einfach eine Nachricht hinterlassen, und ich rufe dich an …«
»Das läuft nicht.«
Ich überlegte, ob er immer noch argwöhnte, die Polizei könnte seine Anrufe zurückverfolgen.
»Wenn du ein paarmal hintereinander anrufst, werden meine Freunde und meine Familie anfangen, Fragen zu stellen.«
»Dann erzähl es ihnen.«
»Es wird ihnen nicht gefallen, wenn ich mit dir rede, und …«
»Du meinst, die Bullen wollen nicht, dass sie Bescheid wissen.« Er sagte es ganz beiläufig, aber ich fiel nicht eine Sekunde darauf herein. Er stellte mich auf die Probe.
Mein Puls beschleunigte sich erneut. Er hatte einen Verdacht, aber verdächtigen und wissen waren zwei verschiedene Dinge. Ich musste bei meiner Lüge bleiben.
»Nein, ich meine, meine Familie würde es nicht verstehen. Sie würden die Polizei informieren …«
»Du hast die Polizei doch schon gerufen.«
»Habe ich
nicht
– das habe ich dir doch gesagt. Ich habe dir am Anfang nicht geglaubt, wer du bist, dann hatte ich Angst, dass du meine Familie bedrohen könntest. Evan würde sich Sorgen machen, und …«
»Dann verlass Evan. Du brauchst ihn nicht.«
Mein ganzer Körper verkrampfte sich. Er klang wieder ungehalten. Hatte ich Evan gerade in Gefahr gebracht? Am Ende des Ganges hatte Ally eine Packung Frühstücksflocken ausgesucht und schob jetzt ihren Einkaufswagen nur auf den hinteren Rädern auf mich zu. Wenn ich sie nicht bald ablenkte, würde sie wahrscheinlich in eine der Auslagen krachen. Ich winkte ihr zu, mir in die Gemüseabteilung zu folgen, und versuchte dabei verzweifelt, etwas zu sagen, das John beruhigte.
»Ich versuche, mit dir zu reden, wann immer du willst. Aber ich liebe Evan, und wir sind verlobt. Wenn du Teil meines Lebens sein willst, dann musst du das verstehen.«
Ich hielt den Atem an angesichts meiner Kühnheit. Wie würde er das aufnehmen?
»Also gut, aber wenn er jemals …«
»Das wird er nicht.« Ich stieß den Atem aus und sackte über dem Wagen zusammen. Ally versuchte, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich gab ihr eine Plastiktüte und bedeutete ihr, ein paar Äpfel auszusuchen.
John sagte: »Ich will mit Ally sprechen.«
Ich stand kerzengerade.
»Das ist keine gute Idee, John.«
»Sie ist meine
Enkeltochter
.«
»Aber sie könnte
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