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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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Poet Discussions «, sagte sie. »Ich bin Ihre Gastgeberin, Isobel Lanley, und für diese exklusive Halloweenausgabe haben wir ein paar ganz besondere Gäste für Sie eingeladen. Einer von ihnen befindet sich bereits hier bei uns. Bitte begrüßen Sie mit mir Professor Varen Nethers, den berühmten Historiker auf dem Gebiet depressiver toter Dichter und Autor der beiden Bestseller Entdecken Sie Ihr Poe-tenzial - Ein Leitfaden für Schriftsteller sowie Mo Poe Fo Yo - Wenn Sie einfach nicht genug bekommen können . Herzlich willkommen, Professor Nethers.«
    Isobel schaltete weiter zum nächsten Track und Applaus war zu hören. Varen sah ihr hinter seiner Sonnenbrille direkt in die Augen und in seinem Blick lag so etwas wie ein gequälter Ausdruck. Lächelnd biss sie die Zähne zusammen und flehte ihn mit den Augen an, einfach mitzuspielen.
    Der Applaus verebbte. »Doch das ist noch nicht alles«, verkündete Isobel und versuchte, weiterhin munter zu klingen und fröhliche Stimmung zu verbreiten. »Wir haben heute Abend noch einen weiteren ganz besonderen Gast bei uns«, fuhr sie fort, »der extra den weiten Weg vom Westminsterfriedhof im schönen Baltimore in Maryland auf sich genommen hat, um hier bei uns sein zu können.« Isobel machte eine Pause. Wie die Moderatorin einer Late-Night-Talkshow streckte sie den Arm in einer ausladenden Geste Richtung Tür.
    »Bitte begrüßen Sie mit mir Mr Edgar Allan Poe!«

 
     
    Im Fleisch und Blut
     
    De Tür flog auf.
    Isobel schaltete vor zum nächsten Track und eine weitere Runde Applaus schallte aus dem Gettoblaster.
    Edgar Allan Poe betrat den Raum. Er stand einen Moment lang reglos da und auf seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus düsterer Reue und Melancholie. Eine Hand hatte er ehrerbietig auf seine Brust gelegt, dort wo das Herz saß.
    Ihre Mutter hatte das weiße Make-up wirklich gut hinbekommen, dachte Isobel. Seine fahle Gesichtsfarbe und die Ringe unter seinen Augen sahen total echt aus. Vermutlich war das sogar echt - denn sie waren fast die ganze Nacht auf gewesen. Die schwarze Perücke, die sie bei Walmart gekauft hatten, fand Isobel ein bisschen künstlich, aber sie hatte es ganz gut hinbekommen, sie zuzuschneiden und zu stylen. Ihr Vater trug seinen Hochzeitsanzug, der ihm mittlerweile mehr als nur ein bisschen zu eng war und dessen Hochwasser-Hosenbeine über seinen schwarzen Socken hingen. Ein langes weißes Geschirrtuch diente ihm als Halstuch und sie hatten etwas Haar, das von der Perücke übrig geblieben war, auf seine Oberlippe geklebt. Der ganze Aufzug (in Kombination mit seiner »Oh weh mir«-Miene) hätte vielleicht tatsächlich imposant gewirkt, wenn da nicht der schwarz besprühte Plüschtukan gewesen wäre, der schlaff von seiner rechten Schulter (mit Klettband befestigt) hing. Der Vogel wippte dämlich auf und ab, als Isobels Vater den Raum betrat und rief einen Ausbruch von Gelächter und Applaus hervor.
    Isobel stand vom Tisch auf und schüttelte dem falschen Poe die Hand. Dann setzte sich ihr Vater auf den leeren Stuhl neben Varen, der mit leerem Blick vor sich hinstarrte und die Armlehnen seines Stuhls immer fester umkrallte. Ihr Vater schien die Botschaft zu verstehen und hielt ihm nicht die Hand zur Begrüßung hin.
    »Herzlich willkommen, Mr Poe.« Isobel versuchte, den angespannten Moment zu überspielen. Es wurde still im Raum, alle warteten ungeduldig darauf, was als Nächstes passieren würde.
    »Danke schön, danke schön«, sagte Poe in einem albernen Südstaatensingsang. »Es ist mir stets ein Vergnügen, in das Reich der Lebenden zurückzukehren.«
    Isobel blätterte in ihren Karteikarten zu der, die sie als Erstes brauchte. Sie hatte fast alle Fragen so formuliert, dass sie zuerst die Fakten erklärte und dann eher um Bestätigung als um Information bat. Es durfte schließlich nicht so aussehen, als ob ihr Vater die ganze Arbeit gemacht hätte. Das hatte er auch nicht, rief sich Isobel in Erinnerung. Hauptsächlich hatte er den Abend damit verbracht, Zeit totzuschlagen, im Wohnzimmer herumzustolzieren, jede Frage ausnahmslos mit »Nimmermehr!« zu beantworten und Vorschläge für irgendwelche schrecklichen Wortspiele zu machen. So übertrieben, wie er seine Rolle gerade spielte, fragte sich Isobel, ob er sich überhaupt an irgendetwas von dem erinnerte, was sie ihm gesagt hatte.
    »Also, Mr Poe«, begann sie, »wie ist es Ihnen denn so ergangen in den letzten gut hundertfünfzig Jahren seit ihrem mysteriösen

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