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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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vorzeitigen Ableben im Herbst 1849?«
    »Ich habe mich schrecklich gelangweilt.«
    »Und wie gestaltet sich >Plutos nächtge Sphär’< derzeit?«
    »Trostlos.«
    Noch mehr Gelächter.
    Isobel beobachtete, wie sich Varens Kopf langsam ihrem Vater zuwandte. Wegen der Sonnenbrille konnte sie es nicht genau sagen, doch er starrte den falschen Poe bestimmt gerade mit einem seiner durchdringendsten »Du bist der Inbegriff von lahm«-Blicke an.
    Isobel plapperte weiter. »Ich möchte kurz betonen, dass wir uns wirklich sehr freuen, Sie beide heute Abend bei uns in der Show zu haben, Mr Poe und Professor Nethers.« Sie setzte ein breites Cheerleaderlächeln auf. »Mr Poe, unter ihren wichtigsten Werken finden sich Erzählungen wie Der Untergang des Hauses Usher, Das verräterische Herz, Grube und Pendel und Die Maske des Roten Todes . Sie alle haben den Tod und das Übernatürliche zum Thema. Stimmt es, dass man Sie auch als den Vater der modernen Detektivgeschichte bezeichnet?«
    »Oh, ja, natürlich«, erwiderte Poe und wedelte mit einer Hand. »Das tut man allerdings. Ich habe auch gehört, dass mich heutzutage viele auch den Shakespeare Amerikas nennen.« Ihr Vater strahlte Varen an. »Ist dem nicht so, Professor?«
    Das war der Teil, der Isobel am meisten Sorgen bereitet hatte. Vor dem sie Varen hatte warnen wollen. Aber sie hatten sich irgendetwas einfallen lassen müssen, um Varen einzubinden, damit er nicht einfach nur so dasaß. Irgendetwas, worauf er anspringen würde. Isobel erinnerte sich, dass das der einzige Teil war, den Danny beigetragen hatte, vorgeschlagen, als er für zehn Sekunden Pause von seinem Videospiel gemacht hatte - länger hatte er nicht ausgehalten.
    »Äh, ja«, sagte Varen und rutschte auf seinem Stuhl herum.
    Isobel nickte und drängte weiter. »Ihr vielleicht bekanntestes Werk war und ist jedoch das Gedicht Der Rabe . Können Sie uns etwas über seinen Erfolg erzählen?«
    »Selbstverständlich«, sagte Poe, schlug die Beine übereinander und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er hob einen Finger und strich damit über den geteerten Schopf des schlaffen falschen Raben. »Dieses Gedicht wurde von viel mehr Menschen gelesen, als ich mir je hätte träumen lassen. Ich muss sagen, dass sein Erfolg wirklich überwältigend war. Ich wurde zu einer Art… literarischem Elvis, wenn man so will.«
    Varen erbleichte bei diesem Vergleich.
    »Sind Sie da etwa anderer Meinung, Professor?«, fragte Poe.
    »Nein, außer dass Poe nie wirklich Geld mit Der Rabe verdient hat.«
    Der falsche Poe setzte sich auf, krallte sich an seinem Stuhl so fest, dass der Vogel wackelte. »Selbstverständlich habe ich damit Gewinn gemacht!«
    »Fünfzehn Mäuse.«
    Schallendes Gelächter ertönte aus allen Ecken.
    »Das, mein Herr«, sagte Isobels Vater, lehnte sich zurück und strich sein Jackett glatt, »tut nichts zur Sache.«
    »Es ist also wahr, dass Sie sehr arm waren«, improvisierte Isobel.
    »Aus finanzieller Sicht war ich arm, das ist richtig«, sagte ihr Vater und blickte finster in Varens Richtung. »Ich merke, dass sich seit meinem Tod nicht viel verändert hat in Amerika, was die Geldbesessenheit angeht.«
    »Stimmt es auch, dass Sie exzessiv getrunken haben?«, fragte Isobel und ging zur nächsten Karteikarte über.
    Poe lachte spöttisch über diese Frage und antwortete mit einem lapidaren »Njäh«.
    Varens Kopf schnellte so rasch auf den falschen Poe zu, dass es Isobel überraschte, dass seine Sonnenbrille dabei nicht herunterfiel.
    »Nun ja, gelegentlich«, korrigierte sich Isobels Vater. Er rutschte auf seinem Stuhl nach unten.
    Varen starrte ihn weiterhin an.
    »Oft«, knurrte Poe, wandte sich ab und zog sein ohnehin schon enges Jackett noch fester um sich.
    Diesmal glaubte Isobel, sogar Mr Swanson leise lachen zu hören. Gut, dachte sie. Vielleicht bedeutete das, dass sie mit dieser ganzen Vorstellung durchkamen.
    »Obwohl man nicht behaupten kann, dass ich nicht tief im Inneren ein Gentleman gewesen wäre«, entgegnete Poe ans Publikum gerichtet. »Und das ist natürlich keine Entschuldigung, doch wenn ich getrunken habe, dann nur, um den qualvollen Schmerz zu ertränken, in den mich die schwärzesten Momente in meinem Leben stürzten. Wie zum Beispiel die lange Krankheit und das darauf folgende Ableben meiner heiß geliebten Virginia.«
    Wow, dachte Isobel beeindruckt, er hatte sich also doch ein paar Dinge gemerkt. »Nach dem Tod Ihrer Frau Virginia«, griff sie das Thema auf, »haben Sie

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