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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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versucht, wieder zu heiraten, richtig?«
    »Nun, für kurze Zeit machte ich Miss Sarah Helen Whitman den Hof.«
    »Und Annie«, warf Varen ein.
    Poe hielt inne und lächelte. Er hob einen Finger, um sein Halstuch zu lockern. »Und … Annie«, gab er zu.
    »Die verheiratet war.«
    »Sehen Sie, das ist wirklich eine interessante Geschichte. Ich -«
    »Und dann Elmira.«
    »Und dann Elmira, ja, ist ja gut.« Poe verschränkte die Arme lümmelte sich auf seinen Stuhl und sah weg.
    Aus den hinteren Reihen kam eine Mischung aus Gelächter und neckischen »Uuuuuuhhhhs«.
    »Was soll ich sagen?«, raunte Poe. »Den Damen gefällt der Schnurrbart.«
    Wieder Gelächter.
    Isobel schloss die Augen, in der Hoffnung, dass sie damit verhindern konnte, komplett rot anzulaufen. Schalt einen Gang runter, Dad, dachte sie und öffnete die Augen wieder. Unwillkürlich musste sie grinsen, weil der Plan viel besser funktionierte, als sie geglaubt hatte.
    Sie stellte weitere Fragen und Varen unterbrach immer wieder die schwammigen Antworten ihres Vaters, legte die wirklichen Tatsachen dar und erntete mit seiner trockenen Coolness einige Lacher. Bald blieb nur noch ein Thema übrig, das sie noch behandeln mussten: Poes Tod.
    »Mr Poe, die Umstände, die zu Ihrem Ende führten, können bestenfalls als unklar bezeichnet werden.« Ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass sie diese Worte benutzen sollte, obwohl Isobel fand, dass sie sich damit wie eine kitschige Wahrsagerin anhörte. »Niemand weiß genau, was Ihnen in dieser verhängnisvollen Nacht zugestoßen ist. Die Theorien reichen von Tollwut bis hin zu Mord.«
    »Mmmh. Mord«, sinnierte Poe, »dieser schrecklichste aller menschlichen Zeitvertreibe, der zugleich etwas so Faszinierendes an sich hat.«
    »Sie geben also zu, dass sie irgendwie in üble Machenschaften verstrickt waren?«
    »Ich gebe gar nichts zu. Dafür liebe ich Detektivgeschichten viel zu sehr. Ich habe sie schließlich erfunden, erinnern Sie sich? Das macht es zu meiner Pflicht, niemals das Rätsel um meinen Tod aufzulösen.« Er stand langsam auf und begann, mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf und ab zu gehen. »Außerdem befürchte ich, dass ich mich nicht zur Gänze daran erinnern kann, was mir in dieser Nacht vor so langer Zeit, vor so vielen Ewigkeiten, widerfahren ist …«Er streckte eine zitternde Hand in Richtung des Publikums aus und ballte seine Finger zu einer reumütigen Faust. Isobel verdrehte die Augen. Sie hätte nie gedacht, dass er zu so etwas in der Lage war!
    »Ich war auf dem Weg von New York nach Richmond.«
    »Von Richmond nach New York«, korrigierte ihn Varen.
    »Richtig«, flüsterte Poe und legte die Hand an die Stirn. »Der muffige Geruch des Grabes! Die trügerisch sanfte Ruhe des Todesschlafs. Solche Dinge können sich leicht im Gehirn anstauen und das Gedächtnis hemmen - doch Sie haben recht. Ich verließ Richmond, richtig, wo ich mich verlobt hatte. Ich wollte heiraten. Ja, heiraten. Doch zuerst, zuerst musste ich nach Hause, nach New York, um meine liebe Tante Moody abzuholen.«
    »Muddy.«
    »Das sagte ich doch.« Poe hielt inne und legte den Kopf schief, so als ob er irgendeinem fernen Geräusch lauschen würde. »Ich erinnere mich daran, dass ich mit dem Zug gefahren bin, mit einem Koffer voller Manuskripte und Vorträge. Der Zug hielt an und dann habe ich … ich …«
    Isobel wandte den Blick von ihrem Vater ab und ließ ihn über die Gesichter ihrer Mitschüler schweifen. Alle sahen sie gespannt an. Sogar Bobby Bailey, der für gewöhnlich mit dem Kopf auf dem Tisch lag und schlief, hatte sich aufgesetzt und hörte zu.
    »Professor Nethers«, fragte Isobel vorsichtig, »vielleicht können Sie etwas Licht in dieses Rätsel bringen?«
    Varen tat ihr den Gefallen - vielleicht erinnerte er sich an Isobels geflüstertes Flehen von vorhin. »Fünf Tage lang war Poe verschollen.« Seine Stimme durchschnitt rasiermesserscharf die Stille im Raum. »Man fand ihn in der Nähe einer Taverne in Baltimore. Er befand sich im Delirium und trug die Kleidung von jemand anderem. Sein Cousin und ein befreundeter Arzt brachten ihn dann ins Krankenhaus.«
    »Ja, jetzt erinnere ich mich …«, flüsterte Poe.
    »Aus den Berichten der Ärzte geht hervor, dass Poe tagelang tobte und mit unsichtbaren Gegenständen und Menschen sprach, die er sich nur einbildete.«
    »Dämon!«, rief Isobels Vater plötzlich und zeigte blitzschnell mit einem Finger zur Decke. Mit einem kollektiven Kreischen schrak die

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