Nevermore
haben bei dir in der Nähe auf ihn gewartet und sind ihm dann gefolgt«, erzählte Mark.
»Ich hatte einfach das Gefühl, dass wir uns mal unterhalten müssten. Unter vier Augen«, erklärte Brad, »über das Verunstalten von Privateigentum.«
»Wir haben ihm die Wahl gelassen.«
»Ja. Wir sind sehr diplomatisch gewesen.« Brad nickte.
»Er hat uns wirklich überrascht.« In Marks Stimme schwang Anerkennung.
»Ja, wir waren uns sicher, dass er den Schwanz einziehen und uns lieber sein Auto vermöbeln lassen würde.«
Mark schüttelte den Kopf. »Aber das hat er nicht.«
»Nein, hat er ganz und gar nicht.«
»Du wärst stolz auf ihn gewesen, Iz.«
»Ja«, gab Brad zu, »wir waren echt beeindruckt.«
Isobels Kehle zog sich zusammen. »Ihr lügt doch.«
»Oh nein. Nein, Iz, tun wir nicht.« Brad beugte sich vor, verstellte ihr so die Sicht auf Pinfeathers und sah ihr in die Augen. Er sprach jetzt leiser. »Und denk ja nicht, dass das alles deinetwegen war, denn um dich ging es gar nicht. Er hatte es verdient, du weißt genauso gut wie ich, was er angerichtet hat.«
Etwas kochte in Isobel hoch und sprühte Funken wie ein Stromkabel.
»Kapierst du es denn nicht?« Bevor sie sich zurückhalten konnte, hatte sie auch schon ausgeholt und Brads Cola umgestoßen. Eis fiel klappernd aus dem hohen blauen Becher und die braune Flüssigkeit ergoss sich über den ganzen Tisch. Alyssa kreischte auf und rutschte weg. Brad sprang von seinem Stuhl auf, als Cola auf seinen Schoß tropfte.
»Er hat dein Auto nicht angefasst!«, rief Isobel. »Und ich weiß, dass ihr lügt!« Brad spielte doch wieder nur eins seiner Spielchen mit ihr. Sie wollten sie nur auf die Palme bringen. Sie selbst hatte Varen doch eben noch gesehen, vor weniger als zwanzig Minuten. Und es war alles in Ordnung gewesen mit ihm.
Oder vielleicht doch nicht? Ihre Gedanken überschlugen sich. Vielleicht hatte er sich deswegen so langsam und bedächtig auf seinen Stuhl gesetzt. Vielleicht hatte er sich deswegen geweigert, die Sonnenbrille abzunehmen. Vielleicht hatte er sie deshalb gemieden.
»Sehe ich so aus, als ob ich lügen würde?« Brad baute sich vor ihr auf. Isobel sah, wie Pinfeathers sie ungerührt betrachtete. Brad hob den kleinen Finger und zeigte damit auf eine große Blutblase an seiner Oberlippe, die ihr noch gar nicht aufgefallen war. Er war Runningback und sie war es gewöhnt, dass er Kratzer und blaue Flecken hatte.
»Hey!«, rief Mr Nott vom anderen Ende des Raumes, unmittelbar gefolgt von hartem, schnellem Schlüsselrasseln.
Brad beugte sich zu Isobel hinunter, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Und sie hatte nicht die Kraft, sich dagegen zu wehren »Er war wirklich kein Spielverderber. Nur einmal hat er mich erwischt, aber ich habe es ihm durchgehen lassen, weil ich was gesagt habe, was ich nicht hätte sagen sollen. Was über dich, Iz.«
Entsetzt wich Isobel zurück.
Mr Nott kam schlüsselrasselnd zum Stehen, positionierte sich zwischen ihnen und stellte mit seiner tiefen, autoritären Stimme die obligatorische Frage: »Was ist hier los?«
»Ich habe meine Cola verschüttet, Sir«, verkündete Brad und durchbrach damit die plötzliche Stille in der Cafeteria. Vom Nebentisch drang Gekicher herüber. Wenn ihnen die anderen nicht schon die ganze Zeit zugesehen hatten, dann taten sie es spätestens jetzt. »Es war ein Unfall, Sir. Nervosität vor dem Spiel.«
Isobel richtete ihren Blick wieder auf den Tisch, von wo aus Pinfeathers sie beobachtete. Sein Blick hatte sich verfinstert und die unergründliche Schwärze seiner Augen drohte sie zu verschlucken.
»Schau nicht so verloren, Cheerleaderin. Ich habe gesehen, wie du ihn beobachtet hast - uns, meine ich. Ich habe sogar noch versucht, dich zu warnen. Aber du wolltest ja nicht hören. Du hast gewartet und jetzt ist es zu spät. Für dich und … für uns.«
»Isobel, hast du mich verstanden?«, fragte Mr Nott. »Ich habe gesagt, du sollst zurück an deinen Platz gehen.«
Isobel bewegte sich nicht. Sie konnte ihren Blick nicht von Pinfeathers abwenden, von seinem Gesicht, das zwischen verschiedenen Emotionen hin und her zu schwanken schien und sich schließlich zu einer bösartigen und schmerzerfüllten Grimasse verzerrte. Warum kam er ihr nur so bekannt vor?
»Miss Lanley, sind Sie taub? Ich habe gesagt, Sie sollen an Ihren Platz gehen.«
Mit einer einzigen, pfeilschnellen Bewegung stürzte sich Pinfeathers auf Isobel, das schwarze Loch in seinem Gesicht wurde immer größer.
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