Nevermore
ihre Angst in Wut. »Wer ist da?«, rief sie keuchend. »Wer bist du? Warum kommst du nicht einfach raus?« Sie wischte sich die laufende Nase an ihrem Ärmel ab - und es war ihr egal.
»Brad?«, brüllte sie die Eiche in Mrs Finleys Hof an. »Mark? Ich weiß, dass du da bist!« Sie schrie eine Reihe von Sträuchern an’ die Mr Anchors weißen Zaun säumten.
»Brad, wenn du das bist, das ist nicht witzig, ganz und gar nicht! Wo auch immer du bist - wer auch immer du bist!« Während sie brüllte, bückte Isobel sich trotz ihres Schwindelgefühls und hob einen dicken, knorrigen Ast auf. Wankend versuchte sie, ihn drohend zu schwingen. »Komm endlich raus!« Sie schwang den Ast erneut durch die Luft. »Komm raus, damit ich dir diesen Stock in den -«
»Isobel!«
Isobel wirbelte herum und ließ den Ast fallen. Er krachte auf den Asphalt.
Ihre Mutter steckte den Kopf aus der Haustür und der Schein der Haustürlampe tauchte sie in ein goldgelbes Licht. Sie hatte die Arme verschränkt, um sich gegen die Kälte zu schützen, und warf ihrer Tochter einen kurzen Blick zu. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, befand sie sich in einem Zwiespalt zwischen Besorgnis und Empörung.
Das unsichtbare Sichtbare
Am liebsten wollte Isobel einfach nur zu ihrer Mutter laufen, sich bei ihr ausweinen und ihr alles erzählen. Sie wollte, dass ihr Vater den Hof absuchte, die Polizei rief und den Park absperren ließ.
Und genau in diesem Augenblick, als ihre Mutter sie so ansah und die Energie aus Isobels Gliedern wich und sie auf einmal so unendlich müde w7erden ließ, genau in diesem Augenblick war es ihr plötzlich egal, ob sie Ärger bekam. Vielleicht wollte sie sogar für den Rest ihres Lebens das Haus nicht mehr verlassen.
Gerade als sie auf dem Gras in sich zusammensinken, in Tränen ausbrechen und alles gestehen wollte, ertönte plötzlich Dannys Stimme.
»Erzähl du es ihnen, Iz!«, rief er.
Mit einem Ruck hob sie den Kopf und sah, wie ihr Bruder schnaufend auf sie zutrottete und sein Bauch dabei unter seinem weißen T-Shirt schwabbelte. Wie einen ungehorsamen Hund zog er eine Mülltonne hinter sich her. Isobel beobachtete ihn und war sich nur vage bewusst, dass ihr Mund weit offen stand.
Danny winkte ihrer Mutter fröhlich zu, die auf die Veranda hinausgetreten war. Prustend sagte er: »Dieser Waschbär schon wieder.«
»Was macht ihr beiden denn da?«, fragte ihre Mutter und hielt die Arme weiterhin vor ihrer Brust verschränkt. Sie verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und blickte ihre Kinder an. »Jemand sollte mir mal sagen, was hier eigentlich los ist.«
Isobel sah ungläubig von ihrem Bruder zu ihrer Mutter und wieder zurück.
»Kein Stress, Mom«, versicherte Danny, als er ächzend und schnaufend die riesige Mülltonne neben den Briefkasten stellte. Er tätschelte den Deckel. »Wir bringen nur gerade den Müll raus. Ich dachte, wir tun es am besten noch vor dem Abendessen, dann müssen wir es morgen früh nicht machen.« Er strahlte.
»Isobel?« Die Stimme ihrer Mutter hörte sich an, als käme sie aus einer Flasche.
Isobel versuchte, ihren Mund zu öffnen - sie fühlte sich wie ein Fisch, der aus dem Aquarium gefallen war,
»Sie hilft mir dabei«, antwortete Danny an ihrer Stelle.
Isobel fand es einfacher zu nicken, als etwas zu sagen.
»Und«, fuhr Danny fort, »dieser blöde Waschbär ist wiedergekommen. Verdammter Waschbär!«, rief er. Seine Stimme hallte durch die ganze Nachbarschaft.
»Danny!«
»Entschuldigung, Mom. Verflixter Waschbär!«
»Rein mit euch«, befahl ihre Mutter, »alle beide. Sofort. Danny, du kannst den Müll nach dem Essen rausbringen. Du nicht, Isobel, du siehst aus wie eine wandelnde Leiche. Ins Haus mit dir, bevor du noch krank wirst.«
Als ihre Mutter sich umdrehte, um ihnen die Tür aufzuhalten, spürte Isobel plötzlich Dannys Ellbogen in ihrer Seite. Das noch übrig gebliebene Adrenalin jagte durch ihre Adern und ließ sie aufschrecken.
»Wo zum Teufel bist du gewesen?«, fragte er lautlos. Doch er wartete keine Antwort ab. Stattdessen machte er ein finsteres Gesicht und eilte kopfschüttelnd an ihrer Mutter vorbei ins Haus.
Isobel trottete zu der offenen Haustür und ihrer besorgten Mom. Sie wischte sich noch einmal die Nase mit dem Ärmel ab und zog die Nase hoch.
»Ich hoffe, dass ihr zwei da draußen nicht am Streiten wart«, sagte ihre Mutter und klopfte den kreideartigen Dreck von Isobels Jeans. »Ihr werdet beide langsam zu alt
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