Nevermore
gezogenes, raschelndes Schhirrk-schruuffschh drang von draußen herein. Sie kniff die Augen zusammen und glaubte ein paar lange, dünne Finger in schwarzen Handschuhen zu erkennen, die versuchten, das Fenster anzuheben.
Mit einem schnellen Schritt war Isobel am Fenster und zog am Rollo. Mit einem lauten Knall schnellte es nach oben. Irgendetwas kreischte.
Schwärze spritzte wie Tinte gegen das Glas. Mit einem kurzen Schrei stolperte Isobel nach hinten. Sie schleuderte den Pokal Richtung Fenster, der die Scheibe nur um Zentimeter verfehlte und eine Delle in die Wand schlug.
Ein wütendes Durcheinander aus dunklen Federn breitete sich vor der Scheibe aus, gefolgt von dem Klopfen eines spitzen Schnabels und einem dumpfen, knarzenden Krächzen.
»Blöder Vogel!«, rief Isobel und ihr Herz pochte so stark, dass sie ihren Puls an den Schläfen fühlen konnte. Als sie sich vom Boden aufrappelte, spürte sie auf der Rückseite ihres Oberschenkels einen brennenden Schmerz. Sie ignorierte ihn und eilte zu ihrem Bett. Sie nahm zwei der pinken Kissen und warf sie gegen das Fenster.
Das riesige Ungeheuer von einem Vogel schlug kräftig mit den Flügeln und gab ein Kreischen von sich, als das erste Kissen die Fensterscheibe traf. Als das zweite geflogen kam, stieß er sich ab und verschwand in der Dunkelheit.
Energisch zog Isobel das Rollo wieder nach unten und die Spitzenvorhänge zu.
Dann ging sie zurück zu ihrem Bett. Gegen ein Frösteln ankämpfend, hob sie im Vorbeigehen ihren Bademantel auf und zog ihn über den Pyjama. Sie warf den Föhn auf den Boden und schnappte sich ihr Handy. Unruhig ging sie auf und ab. Das Display zeigte in neonblauen Ziffern 8:52 an. Nicht mehr lange bis neun, dachte sie. Na ja, damit würde er jetzt einfach klarkommen müssen.
Isobel gab die Nummer ein. Es klingelte einmal… zweimal… dreimal. Eins würde sie noch abwarten -»Ja?«
Isobel blinzelte überrascht. Sie hatte nicht erwartet, dass er selbst abheben würde. »Ja … äh … hi«, sagte sie und versuchte, normal zu klingen.
»Hi«, antwortete Varen, doch sie konnte die unterschwellige Frage in seiner Stimme hören: Was gebet dir, o Niederste aller Sterblichen, das Recht, mich aus meinem Grabe herbeikommen zu lassen?
Na gut, dann würde sie eben gleich zur Sache kommen. »Ich muss mit dir reden. Du warst heute Abend nicht zufällig im Park, oder?« Okay, das klang vielleicht etwas anklagender, als es eigentlich sollte. Isobel beschloss, einfach abzuwarten, wie er reagierte.
Vom anderen Ende kam nichts. Atmete er denn nicht einmal? Oh Mann.
Sie nahm das leise, antwortlose Summen hin, bis es ihr zu unangenehm wurde. »Wenn du es warst«, brach sie das Schweigen, »dann finde ich es nicht witzig, aber dann solltest du es mir zumindest sagen.« So. Jetzt war es also ausgesprochen. Es war doch besser, auszuschließen, dass er es gewesen w;ir, bevor sie etwas von unsichtbaren Verfolgern faselte, oder?
Sie musste ein weiteres, langes, vom Telefonsummen begleitetes Schweigen abwarten, bevor sie ihn schließlich Luft holen hörte.
»Ich weiß nicht, welche Drogen du seit halb sieben eingeworfen hast«, meinte Varen, »aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon du sprichst.«
»Der Park«, sagte Isobel, allerdings mit weniger Nachdruck. Sie hatte das Gefühl, dass das nicht die schlauste Methode gewesen war, die Sache anzugehen. Sie hatte nicht behaupten wollen, dass er es gewesen war. Sie versuchte nur herauszufinden, ob er es gewesen war.
»Was ist mit dem Park?«, fragte er ungeduldig.
»Jemand hat mich verfolgt«, platzte sie heraus.
»Und du denkst, dass ich das war.«
Oh oh. Mit gesenktem Kopf begann Isobel wieder auf und ab zu gehen. »Das habe ich nicht gesagt.«
»Aber du hast es angedeutet.«
Sie schrak zusammen. Dass er ihre eigenen Worte gegen sie verwendete, fand sie nicht so klasse.
»Ich-«
»Erstens«, sagte Varen, ohne sie aussprechen zu lassen, »wenn du wirklich heute Abend alleine im Park warst, dann war das echt dumm von dir. Das sollte dir eigentlich klar sein.«
»Ja, danke.«
»Gern geschehen. Und zweitens«, fuhr er fort, »musst du wirklich irgendetwas genommen haben, wenn du glaubst, dass ich dir folgen, geschweige denn dich verfolgen würde. Tut mir leid, aber so kümmerlich ist mein Leben dann doch nicht.«
Autsch. »Okay, hör zu. Es tut mir leid«, sagte sie und schüttelte dabei den Kopf. »Ich wollte dich nicht beschuldigen. Das war nicht der Grund für meinen Anruf.«
»Aber du hast
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