Nevermore
sich.
Varen beendete den Blickkontakt, indem er sich umdrehte, sich mit klirrenden Ketten hinsetzte und die Knie anwinkelte.
Verdattert sah Isobel ihm dabei zu, wie er die Tasche zwischen seinen Beinen platzierte, so als würde er ein Picknick machen wollen oder so was in der Art. Das Bild von Blutkonserven, in denen wie in Trinkpäckchen Strohhalme steckten, ging ihr durch den Kopf.
Sie streckte die Beine aus und machte es sich, so gut es ging, auf dem kalten Rand der Fensterbank bequem.
Keiner von ihnen sagte ein Wort. Die Luft zwischen ihnen schien plötzlich wie statisch aufgeladen. Ein weiterer Windhauch rauschte vorbei, ließ die Äste der Bäume erzittern und durchzog die Luft mit einem beißenden Geruch nach welken Blättern und Kaminrauch.
Schließlich bemerkte Isobel, wie er den Reißverschluss der Tasche aufzog - es war eine Kühltasche! - und einen kleinen Behälter hervorholte.
»Ich dachte, du hast vielleicht Lust auf ein bisschen miese Eiscreme«, meinte Varen.
Als Isobel den Eisbehälter ansah, brach in ihrem Inneren ein Damm. Es fühlte sich an wie ein Erdrutsch. Ein warmes Gefühl durchflutete sie und brachte ihre Fingerspitzen zum Glühen, als sie mit einer Hand nach dem Eis griff.
In dem schwachen Lichtschein, der aus ihrem Zimmer drang, konnte sie kleine Affen erkennen, die sich an Lianen über die Packung schwangen. Banana Fudge Swirl stand auf dem Etikett. Er hatte sich tatsächlich gemerkt, was ihre Lieblingssorte war.
Varen hielt ihr einen Löffel hin und starrte sie hinter dem weißen Plastikstiel mit solcher Intensität an, dass es ihr fast Angst machte. Sie spürte, wie das Gefühl ihren ganzen Körper durchströmte, so als ob sie auf einer Achterbahn nach unten fuhr -auf einer, die garantiert noch einige Loopings hatte.
Langsam nahm Isobel den Löffel entgegen. Die Geste schien von einer Tragweite zu sein, die sie noch nicht ganz verstand. Varen wandte den Blick ab und entließ sie aus seinem Bann.
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie ihm dabei zusah, wie er seinen Becher öffnete. Er zog einen weiteren Löffel aus der Nylontasche und steckte ihn wortlos in das Eis.
Isobel nahm einen Bissen Eiscreme und ließ die Kombination aus Banane und Schokolade auf ihrer Zunge zergehen. Aber sie konnte dabei den Blick nicht von Varens Händen abwenden, von diesen langen Fingern, deren Bewegungen von einer ganz eigenen Anmut waren. Seine Silberringe schimmerten in dem Licht, das aus ihrem Fenster strömte. Isobel betrachtete seine Fingergelenke, dann räusperte sie sich, um etwas zu sagen »Das war Gwen Daniels eben am Telefon«, brach sie das Schweigen, das, zumindest für sie, unerträglich geworden war. »Sie hat mir gesagt, dass du versucht hast, Brad davon abzuhalten, Sachen aus meinem Spind zu nehmen. Hast du mich deshalb angerufen?«
»Zum Teil«, gab er zu.
»Dann bist du also jetzt deshalb hier?«
»Nein.«
»Oh.« Ihr Magen zog sich zusammen. Sie wartete darauf, dass er noch etwas sagte, doch das tat er nicht. Sie blickte auf ihren Becher, zog den Löffel durch das Eis und formte dabei kleine Wege und Berge. »Sie … äh … hat gesagt, dass er, ähm … Ist alles in Ordnung mit dir?«
Varen sah sie missmutig an und wirkte ernsthaft gekränkt. Sie würde ihre Frage nicht zurücknehmen, auch wenn es ganz danach aussah, als würde er sich genauso stur stellen, was seine Reaktion anging.
»Gwen hat gesagt«, Isobel tastete sich vorsichtig in das Gewässer vor, »dass etwas Seltsames mit den Spinden passiert ist. Hast… hast du davon was mitbekommen?«
Sein Gesicht verfinsterte sich. Er sah weg. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, murmelte er und nahm noch einen Löffel Eis.
Ooookay, dachte sie. Dann würde sie dieses Thema also vor erst nicht ansprechen. »Weißt du, warum er meine Sachen haben wollte?«
Varen hörte auf, sein Eis zu löffeln, und sah durch seine ausgefransten Haarenden zu ihr. »Das müsstest du doch am ehesten wissen.«
Isobel schüttelte den Kopf. Sie nahm einen Löffel Eis und stellten den Becher dann zitternd vor Kälte neben sich auf das Fenstersims. Sie glitt herunter und setzte sich neben Varen auf das Dach wobei ihr nur allzu bewusst war, dass sie jetzt nur noch Zentimeter trennten.
»Ich muss dir was erzählen«, flüsterte sie.
Er steckte seinen Löffel in das Eis, fasste mit der Hand über sie und stellte seinen Becher neben ihren. Erwartungsvoll, vielleicht sogar etwas neugierig, hob er die Augenbrauen.
»Ich habe letzte
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