Neverwake
dann bedeutet das doch, daß jeder Spieler ein anderes Spiel spielt. Reference ist nie zweimal dass elbe.«
»Richtig.«
»Na, wie soll ich dann nachvollziehen können, was mit Tader passiert ist? Dazu müßte ich ja sein Spiel spielen, und nicht mein eigenes.«
»Genau das sollen Sie auch tun. Wir sind keine Anfänger, Herr Esch, wir führen nicht zum ersten Mal einen hochkomplizie r ten Spieletest durch. Wir haben Mister Taders Spiel mit einer Art Link-Option versehen. Das ermöglicht bis zu drei anderen Spielern, in Mister Taders Spiel einzusteigen und ihn selbst über eine Tracer-Funktion aufzuspüren. Wir könnten theor e tisch also gleich drei weitere Virts losschicken, haben uns aber entschlossen, die Gesundheit von so wenig Menschen wie möglich zu gefährden, solange wir noch nicht genau wissen, was mit Mister Tader passiert ist.«
»Gehe ich über diese Link-Option dort rein, wo Tader jetzt gerade ist, oder fange ich in seinem ersten Level an und arbeite mich bis zu ihm durch?«
»Da der Sinn einer Link-Option normalerweise darin besteht, daß mehrere Leute gleichzeitig anfangen zu spielen, werden Sie leider in Mister Taders erstem Level anfangen müssen. Da er allerdings beim Durchspielen die meisten Level vollständig von Gegnern gesäubert haben dürfte, werden Sie wohl zügig vorankommen, und sich lediglich aufs Orientieren konzentri e ren müssen, nicht aufs Kämpfen.«
»Aber wenn er, wie Sie vorhin gesagt haben, ganze Level weggesprengt hat – wie komme ich dann da durch?«
»Reference ist nicht-linear aufgebaut. Sie werden über Umwe g levels vorankommen können, falls der direkte Weg versperrt ist.«
»Ich spiele hier, in Potsdam?«
»Wir haben alle erforderliche Ausrüstung hier, ja.«
»Tader ist auch hier?«
»Nein, Mister Tader ist in unserem Mutterhaus im Silicon Valley. Dort haben alle Ersttests stattgefunden. Jetzt belegt Mister Tader allerdings unser einziges dort stehendes, für E.V.O.L. gerüstetes System, so daß wir den zweiten Spieler von Potsdam aus ins Feld führen müssen. Für die Link-Option spielt das allerdings überhaupt keine Rolle. Die Verbindung nach Kalifornien ist einwandfrei.«
»Ich bekomme einen Bonuslebenvorrat, einen Tracer-Sender, damit man mich wieder finden kann, und schmackhafte küns t liche Ernährung, falls ich Taders Beispiel folge?«
»Sie können auch die Cheats bekommen, mit denen Sie in den vorgegebenen Leveln alle Schwierigkeiten umgehen können.«
»Will ich nicht haben. Cheats sind was für Loser. Ich wette, Tader wollte auch keine.«
»Da haben Sie recht. Es gab einen kurzen Streit mit unserer Entwicklungsabteilung, aber Mister Tader hat sich durchg e setzt. Keine Cheats.«
»Wir sind eben Virts, keine Spieletester.«
Die folgenden anderthalb Stunden seines Lebens verbrachte Esch damit, Formulare auszufüllen, um alle anstehenden Fragen bezüglich Beschäftigungsverhältnis, Besoldung und Arbeitsunfallversicherung auszuräumen.
Darina war natürlich nicht begeistert.
Die ganze Sache schien gefährlich zu sein, immerhin hatte Reference bereits den legendären Laurence Tader zum Pfleg e fall gemacht. Aber Esch argumentierte, daß Taders Test wah r scheinlich schiefgelaufen war, weil Tader das Problem war, nicht das Spiel. Tader war schon immer ein Exzentriker gew e sen, ein Verrückter, um weniger höflich zu sein. Mittlerweile konsumierte er wahrscheinlich genetische Drogen, um die Schmach seines tiefen Sturzes irgendwie zu dämpfen. Auße r dem war er ein Kinderschänder, was immer ihn ereilte, war also nur gerecht.
WAS wenn die Grafik von Reference so schnell flimmert, daß das epileptische Stadium gleich zugunsten einer Flatline übersprungen wird? WAS wenn INFORM da gar kein Spiel, sondern eine neue Waffe entwickelt hat, die die Hirnwellen begabter Menschen toasten kann? WAS wenn die ganze Geschichte mit Tader nur erfunden ist (hatte Esch denn i r gendwelche Beweise gesehen?), und es um irgend etwas anderes Unkalkulierbares geht? WAS wenn Tader gar nicht bewusstlos, sondern tot ist? Ihr Leben im Netz hatte Darina in eine sehr professionelle Paranoikerin verwandelt, die sich besonders darüber aufregen konnte, daß man ihr sagte, sie solle sich beruhigen.
Eigentlich gab es nur zwei Argumente zugunsten dieses Au f trags. Erstens stellte die nicht unbeträchtliche Summe, die INFORM zu zahlen bereit war, und das Zur-Verfügung-Stellen eines Kontos mit einer vor staatlichem Zugriff schützenden Datensperre eine nicht zu
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