Neville, Katherine - Der magische Zirkel
Gott sagte… Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde… Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch… daß hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe… Noah aber, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg. Und da er von dem Wein trank…
1. B UCH M OSE , Kap. 9; 12-21
Laß uns… früh aufbrechen zu den Weinbergen und sehen, ob der Weinstock sproßt, ob die Granatbäume blühen. Da will ich mir meine Liebe schenken.
D AS H OHELIED , Kap. 7, 12-13
Es war dunkel, als Wolfgang und ich auf der Ausfallstraße entlang der Donau die Stadt verließen. Wir sprachen nicht viel während der Fahrt. Obwohl ich emotional völlig ausgelaugt war, konnte ich die Augen nicht schließen. Bald waren die Lichter von Wien verschwunden, und wir folgten dem weiten anmutigen Bogen der Donau nach Westen in Richtung Wachau, dem Weinland. Wolfgang erwies sich am Steuer als ebenso sicher und gewandt wie auf Skiern, und ich blickte aus dem Fenster auf den breiten schimmernden Fluß und die Dörfer auf der anderen Seite der Straße. Nach knapp einer Stunde waren wir in Krems, wo sich Wolfgangs Büro befand.
Inzwischen stand der Mond hoch am Himmel und tauchte die umliegenden Hügel in mildes Licht. Wir nahmen die Abzweigung nach Krems und fuhren zu der mittelalterlich befestigten Stadt hinauf, deren weißgekalkte Gebäude ein interessantes Potpourri verschiedener Baustile darstellen, vom Mittelalter bis in die Zeit des Barock. Wir überquerten den Höheren Markt mit den stattlichen Bürgerhäusern und Museen, aber zu meiner Überraschung fuhr Wolfgang wieder aus der Stadt hinaus und auf einer schmäleren, kurvenreichen Straße noch höher hinauf ms Hügelland, wo ein Weinberg neben dem anderen lag. Ich warf einen Blick auf sein Profil, das sich vor dem grünlichen Schein der Armaturen abzeichnete.
«Ich dachte, wir wollten zu deinem Büro, um unsere Tagesordnung für morgen durchzugehen», sagte ich.
«Ja. Aber mein Büro ist in meinem Haus», erklärte Wolfgang, ohne die Augen von der Straße zu nehmen. «Es ist nicht mehr weit. Nur noch ein paar Kilometer, dann sind wir da.»
Die Straße wurde noch schmäler und schien nur noch ein Fahrweg zu sein, als wir weiter bergauf fuhren und uns immer mehr vom Fluß und den kleinen besiedelten Flecken entfernten. Wir passierten eine winzige strohgedeckte und in den Berg hineingebaute Lehmhütte, in der die Weinbauern Körbe und Geräte aufbewahrten und sich unterstellten, wenn es während ihrer Arbeit zu einem der hier häufigen plötzlichen Regengüsse kam. Danach sah ich nichts mehr, was auf eine Zivilisation schließen ließ – ausgenommen natürlich die Reihen der Weinstöcke.
Oben auf dem Hügel endeten die Weingärten plötzlich, und auch die Straße schien hier zu enden. Wir fuhren auf eine Brücke zu, die einen breiten Bach überspannte. Eine Wolke schob sich vor den Mond, so daß die Umrisse der groben und sehr hohen Steinmauer, die den Weg auf dem gegenüberliegenden Ufer zu versperren schien, kaum zu sehen waren.
Wolfgang hielt vor der Brücke an und stieg aus. Ich dachte, vielleicht sollte ich auch aussteigen, aber plötzlich gingen helle Flutlichter an und tauchten die Landschaft wie eine Theaterkulisse in goldenes Licht. Ich schaute in ungläubigem Staunen durch die Windschutzscheibe.
Was ich für eine hohe Weideumzäunung gehalten hatte, war der mit Zinnen versehene Festungswall einer alten Burg, einer steinernen Festung, und der Bach, den ich zu sehen glaubte, war ein Burggraben, dessen moosbewachsene Granitwände schräg zum Wasser hin abfielen. In die Mauer war ein hohes hölzernes Tor eingelassen, das offenstand, so daß ich in den beleuchteten Hof sehen konnte. Es war ein großer Rasenplatz, über den eine alte Eiche ihre Krone breitete, und dahinter lag ein echtes mittelalterliches Schloß.
Wolfgang stieg wortlos wieder ein, legte den Gang ein und fuhr langsam über die Zugbrücke und durch das offene Tor. Er parkte auf dem Rasen unter der Eiche, direkt neben einem alten steinernen Brunnen. Er stellte den Motor ab und sah mich beinahe schüchtern an.
«Ist das dein Haus?» fragte ich verdutzt.
«My home is my castle – heißt es nicht so bei euch?» erwiderte er. «Aber in meinem Fall hat man mir nur einen hübschen Haufen Steine hinterlassen, der vor fast tausend Jahren einmal ein Schloß oberhalb der Stelle war, wo sich heute die Stadt Krems
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