Neville, Katherine - Der magische Zirkel
kam in Pella in Makedonien zur Welt, um Mitternacht in den Hundstagen des Jahres 356 V. Chr. Sie nannten ihn Alexandros.
Vor seiner Geburt prophezeite das sibyllinische Orakel die blutige Schlacht um Asien durch den einen, der jetzt kam.
Alexanders Mutter Olympias, eine Königstochter aus Epirus, war eine Priesterin der orphischen Mysterien von Leben und Tod. Sie hatte seinen Vater Philipp II. von Makedonien auf der Insel Samothrake kennengelernt bei den Weihen für die dunklen dionysischen Mysterien, denen in den Wintermonaten gehuldigt wurde. Als Olympias und Philipp fünf Jahre später heirateten, war sie eine leidenschaftliche Bacchantin, eine jener Anhängerinnen des Weingottes Dionysos, der in seiner thrakischen Heimat bassarides genannt wurde nach den Fuchsfellen, die die Bacchantinnen trugen, wenn sie nächtelang betrunken vom unverdünnten Wein über die Hügel tanzten und sich in wilde sexuelle und blutrünstige Raserei steigerten. In ihrer Gottbesessenheit fingen die bassarides mit bloßen Händen wilde Tiere und zerfleischten sie mit den Zähnen. In diesem Zustand nannte man sie Mänaden – die sich wild Gebärdenden.
Im Jahre 333 V. Chr. eroberte Alexander Syrien, Ägypten, Mesopotamien, Persien, Zentralasien und Indien.
Zum Schlüsselereignis kam es in Zentralasien, am Fels ohne Vögel. Irgendwo dort in der Nähe, so berichtet der Koran, baute Alexander ein riesiges Eisentor, um einen schwer zu bewachenden Paß gegen die Stämme der Gog und Magog – später nannte man sie Mongole n – abzuriegeln. Und hier, an der Stätte der einstigen siebenten Stadt Salomos, baute auch er seine heilige Stadt. Es heißt, der heilige Stein Salomos sei als ein Grundstein eingemauert worden und deshalb könne die Stadt zu Beginn eines jeden neuen Äons wieder erscheinen.
Sobald Alexander das Gebiet jenseits des Oxus befriedet hatte, traf eine vornehme Besuchergruppe aus Nysa ein, einem Tal auf der anderen Seite des Hindukusch. Als die Besucher Alexander erblickten, trug er seine Kriegerrüstung und war von Staub bedeckt. Trotzdem verschlug es ihnen die Sprache, und sie fielen vor Ehrfurcht zu Boden, denn sie erkannten in ihm jene göttlichen Eigenschaften, die auch die ägyptischen Hohenpriester und die persischen Magier bei ihm erkannt hatten. Die Nysaer luden Alexander und sein Gefolge in ihr Heimatland ein, von dem sie sagten, es sei die Geburtsstätte des Gottes Nysa, was sehr ähnlich klang wie Dionysos, der ja der höchste Gott der Makedonier war.
Es heißt, der Besuch Alexanders in Nysa sei der Wendepunkt in seinem kurzen, aber einflußreichen Leben gewesen. Als er sich diesem grünen, zwischen Gebirgszügen hingebreiteten Tal näherte, war es, als beträte er ein verlorenes und wundervolles Land. Das Tal rühmte sich nicht nur außergewöhnlicher Weingärten und berauschender Weine, die Alexander gerne trank, sondern es war auch der einzige Ort in diesem Teil der Welt, wo der den Göttern heilige Efeu gedieh.
Der Wein steht für die Reise in die äußere Welt, die Suche; der Efeu für die Reise nach innen, das Labyrinth. Alexander und seine Soldaten, die einer Feier zu Ehren des bedeutendsten Gottes ihrer Heimat nie abgeneigt waren, wanden sich Efeu um die Stirn und tranken, lärmten und tanzten über die Hügel zur Feier dieser erneuten Invasion in Indien – denn die Legenden besagten, der Gott Dionysos habe auf seinem schnaubenden, wohlriechenden Panther den Indus als erster überquert.
Alexanders Leben war kurz, aber die Orakelwürfel waren vor seiner Geburt gefallen. In dreizehn Jahren und zahlreichen Feldzügen eroberte er den größten Teil der damals bekannten Welt. Er starb mit dreiunddreißig Jahren in Babylon. Weil sein schwer errungenes und ausgedehntes Reich unmittelbar nach seinem Tod zerfiel, glauben die Historiker, er habe nichts hinterlassen außer seiner Legende. Doch hier irren sie sich.
In diesen dreizehn Jahren erreichte er alles, was er sich vorgenommen hatte: eine Vermischung von Ost und West, Geist und Materie, Philosophien und Rassen. In jeder großen Stadt, die er eroberte, veranstaltete er öffentliche Massentrauungen – Hochzeiten zwischen makedonisch-griechischen Offizieren und eingeborenen Frauen der Oberschicht. Er selbst hatte mehrere Frauen persischen Geblüts.
Wir wissen auch, daß Alexander in die östliche Geheimlehre eingeweiht war. Die ägyptischen Hohenpriester von Zeus Jupiter Ammon sahen in ihm die Verkörperung dieser Gottheit und übertrugen ihm die
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