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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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und die beiliegende Landkarte noch einmal an.
    Das erste Meeting an diesem Vormittag sollte an einem Ort ungefähr eine Stunde westlich von Leningrad stattfinden, in Sosnovy Bor, in der Nähe des Sommerpalasts von Katharina der Großen, wo wir ein Kernkraftwerk besichtigen sollten.
    Als uns dann in Sosnovy Bor eine Gruppe von Ingenieuren und Physikern mit Namen wie Juri und Boris durch die Anlage begleitete, erfuhr ich zum ersten Mal, was die Sowjets bewegt hatte, uns einzuladen. Gerade in diesem April hatte Michael Gorbatschow – möglicherweise im Überschwang seiner Begeisterung für glasnost und perestroika – während eines Besuchs in London zur Überraschung aller angekündigt, die UdSSR habe beschlossen, die unilaterale Produktion von hochangereichertem Uran, das für Atomsprengköpfe verwendet wurde, einzustellen und außerdem mehrere sowjetische Plutonium erzeugende Reaktoren stillzulegen.
    Eine Woche lang fuhren Wolfgang und ich von Meeting zu Meeting quer durch das mittlere Rußland. Wir besichtigten Anlagen, trafen uns mit Gruppen und Einzelpersonen, die in verschiedenen Eigenschaften im Nuklearbereich arbeiteten, und ich entdeckte, daß die größte Sorge der sowjetischen Regierung nicht die Betriebssicherheit ihrer Atomkraftwerke war, sondern etwas, womit auch ich mich beschäftigte: die Sicherheit und Kontrolle von radioaktiven Stoffen, insbesondere des aus abgebrannten Brennstoffen und Waffen wiederaufgearbeiteten Materials. Ein großer Teil davon wurde außerhalb der Russischen Föderativen Republik gelagert. Und hier trat ich in Erscheinung.
    Seit fast fünf Jahren führten Olivier und ich eine Datenbank, um giftige, gefährliche und transuranische Abfälle aus staatlichen Betrieben und verwandten Industrien zu ermitteln, zu klassifizieren und kontrollieren. An dem Projekt waren viele Gruppen in den USA und anderswo beteiligt, und wir alle leisteten unseren Beitrag zu unserer Yankeeversion von glasnost und perestroika. Wir arbeiten mit der IAEA zusammen und mit Datenbanken v on Monterey bis Massachusetts, die den Handel mit radioaktiven Stoffen, technischem Gerät und Nukleartechnologie überwachten. Aber wir waren mit unseren Bemühungen noch nicht weiter als bis zur Erforschung der Oberfläche einer tiefen Wunde gelangt.
    Die Geheimnistuerei und das Mißtrauen während des kalten Kriegs hatten, wie ich bald feststellen mußte, bleibende Narben hinterlassen – besonders auf unserer Mutter Erde. Es gab Horrorgeschichten noch und noch. Seit Jahren hatte das Motto in der Atomtechnologie gelautet: Die linke Hand braucht nicht zu wissen, was die rechte tut. Das Militär kippte seinen Atommüll auf Schutthalden, auf denen später Wohnhäuser gebaut wurden; flüssiger Reaktorabfall wurde in die Quellgebiete von Flüssen geleitet. Aber unsere Vorgänger in Industrie und Militär im Westen schienen geradezu blütenweiße Westen zu haben verglichen mit denen ihrer russischen Kollegen, bezogen auf die vergangenen vierzig Jahre.
    Wir einigten uns mit unseren sowjetischen Kollegen, an den Problemen gemeinsam zu arbeiten, was dank der neuen Offenheit und Bereitschaft zur Kooperation seitens der Sowjet-Regierung möglich wurde, weil sie ihren Wissenschaftlern nun auch erlaubte, ins Ausland jenseits des eisernen Vorhangs zu reisen. Bevor Wolfgang und ich das Land verließen, verabredeten wir weitere Kontakte – und meine Handtasche war vollgestopft mit Visitenkarten, dem neuen Elitezubehör, das man uns eine Woche lang überall in die Hand gedrückt hatte.
    Der Flughafen in Wien war fast menschenleer, als wir ankamen, und wir dachten schon, wir hätten aufgrund der Verspätung den letzten Anschlußflug nach Paris verpaßt. Aber auch hier hatte es eine Verzögerung gegeben. Also checkten wir ein, und während Wolfgang mit den anderen Passagieren auf den Zubringerbus wartete, suchte ich mir ein Telefon, um Onkel Laf wie versprochen anzurufen. Wolfgang ermahnte mich, kein langes Gespräch zu führen, weil der Bus jeden Moment kommen konnte.
    Ich hoffte, mein Anruf so spät am Abend würde nicht als Unhöflichkeit aufgefaßt werden, aber auf das, was ich dann zu hören bekam, nachdem der Diener meinen Onkel ans Telefon geholt hatte, war ich nicht gefaßt.
    «Gavroche, um Himmels willen – wo bist du? Wo bist du gewesen?» sagte Laf und klang völlig aus dem Häuschen. «Wir haben dich die ganze Woche lang gesucht. Die paar Zeilen, die du Volga mitgegeben hast… Was hast du in Melk getan? Warum konntest du mich

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