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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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umhüllen, den niemand durchdringen darf, sonst würde der Zauberbann brechen.»
    Es war eine ziemlich gute Beschreibung meiner Gefühlslage. Wir bewegten uns von Anfang an in einer Atmosphäre der Unwirklichkeit, die mir nicht ganz geheuer war.
    «Es ist erst kurz nach neun», flüsterte Wolfgang an meiner Brust. «Wir könnten das Frühstück auslassen – wenn wir früh Mittag essen…»

    «Aux Deux Magots» ist eines der berühmtesten Cafés in Paris. In den Jahren vor dem Krieg war es ein beliebter Treffpunkt von Künstlern und Literaten, von Hemingway bis Simone de Beauvoir und Sartre. Auch heute wird es immer noch vorwiegend von Intellektuellen und Studenten besucht.
    Als wir den Platz vor Saint-Germain-des-Prés überquerten, wo die Kastanien schon zu blühen begannen, entdeckte Wolfgang Zoe an einem Tisch in einer sonnigen Ecke der von Glaswänden umgebenen Terrasse. Wir traten durch das Restaurant ein, vorbei an den berühmten Holzplastiken der zwei «Magier». Diese grotesken orientalischen Figuren in ihren blauen, grünen und goldenen Gewändern thronen inmitten von vergoldeten Spiegeln hoch über der Bar.
    Wir gingen auf die verglaste Veranda hinaus. Als wir auf Zoes Tisch zusteuerten, musterte ich meine berüchtigte Großmutter, über die man so viele skandalöse Dinge gesagt und geschrieben hatte. Sie war vielleicht 83, aber wie sie dort saß und ihren Champagner trank – «aufrecht im Sattel», wie Olivier gesagt hätte, mit stolzer Haltung, gepflegtem Teint und einem bemerkenswerten schneeweißen Zopf, der ihr fast bis zur Taille reichte –, konnte ich nur denken daß ihr das Leben mit Wein, Männern und Tanz gut bekommen war.
    Als wir ihren Tisch erreichten, sah sie mich forschend an mit aquamarinblauen Augen – ein Blau, das irgendwo zwischen Wolfgangs türkisfarbenen und den berühmten eisblauen Augen meiner Mutter lag. Wolfgang stellte mich vor, rückte mir einen Stuhl zurecht, und ich setzte mich, als Zoe nickte.
    «Die Ähnlichkeit ist wirklich bemerkenswert», sagte sie an Wolfgang gewandt, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ihr Englisch hatte einen ganz leichten Akzent. «Wie muß Dacian zumute gewesen sein, als er sie das erste Mal sah!»
    «Anfangs konnte er kaum sprechen», gab Wolfgang zu. «Ich will nicht unhöflich sein», erklärte mir Zoe. «Aber weißt
    du, Pandora war einzigartig. Und es ist bestürzend, jetzt, wo sie tot ist, jemandem zu begegnen, der ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich ist. Es war richtig von dir, daß du den meisten aus deiner Familie aus dem Weg gegangen bist. Bei einem regelmäßigeren Verkehr mit dieser erstaunlichen Nachbildung von Pandora hätten wir vielleicht alle zu Bittersalz oder etwas Stärkerem als Champagner greifen müssen! Sie war eine Wucht, das kann ich dir sagen.»
    Zum ersten Mal lächelte sie, und für einen Augenblick sah ich jene träge Sinnlichkeit, für die sie so berühmt war und der sie es verdankte, daß ihr fast vierzig Jahre lang adelige und reiche Männer zu Füßen lagen.
    «Hast du me ine Großmutter gut gekannt?» fragte ich. Dann erinnerte ich mich, daß Zoe ebenfalls meine Großmutter war, und ich stammelte: «Ich meine – »
    Aber sie fiel mir ins Wort. «Ich weiß, was du meinst. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Eines Tages lernst du vielleicht die wichtigste Lektion, die ich dir geben kann: daß du alles tun und sagen kannst, solange du dich für nichts entschuldigst.» Ich hatte das Gefühl, daß Zoe diese kleine Faustregel mehr als einmal sehr gelegen gekommen war.
    Sie winkte dem Ober, damit er Champagner in zwei Gläser füllte, die auf einem Nebentisch für uns bereitgestellt waren. Sie waren schon zum Teil mit einer geheimnisvollen rötlichen Mixtur gefüllt, die der Ober umrührte, während er den Champagner darauf goß.
    «Dieses Getränk heiß t la Zoe», verriet sie uns, «und es bedeutet wie mein Name: Leben. Es wurde eines Abends für mich im ‹Maxim› kreiert – oje, wie lange ist das schon her! Wer in Paris chic sein wollte, trank la Zoe. Ich wollte euch im ‹Aux Deux Magots› treffen, um einen Toast auf das Leben auszubringen. Weil niemand so früh auf die Straßenseite herauskommt, können wir uns auch ungestört unterhalten. Und weil hier niemand vor zwei Uhr den Lunch nimmt, habe ich uns für später einen Tisch in der ‹Closerie des Lilas› reserviert. Ich hoffe, ihr habt in eurem Hotel ein anständiges Frühstück bekommen.»
    Ich saß da mit steinernem Gesicht und versuchte

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