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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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zurückhaben wolle – obwohl ich das bezweifle. Erst dann bemerkte Gaius, daß sie verschwunden war.»
    «Du meinst, die Lanze war einer dieser Gegenstände?» fragte Claudius, dem die Augen weh taten vom Wein oder der plötzlichen merkwürdigen Düsternis im Raum. «Aber es klingt nicht so, als wäre sie kostbar oder geheimnisvoll.»
    «Geheimnisvoll ist sie insofern, als sie verschwunden ist und nie mehr gefunden wurde», sagte Caligula. «Und kostbar muß sie sein, weil Pontius Pilatus sie schon mehrere Jahre vor dem Massaker auf jenem Berg haben wollte, und das bedeutet auch, daß seiner Meinung nach zumindest einige dieser Gegenstände bereits aufgetaucht waren. Aber woher sie kam, oder wohin sie verschwunden ist – ich vermute, mein Großvater hat versucht, das herauszufinden, aber dann ist er auf der Rückreise nach Capreae bei Kap Misenum gestorben. Doch ich habe allen Grund zu glauben, daß er die Antwort kurz vor seinem Tod schon so gut wie gefunden hatte.»

«Tiberius?» sagte Claudius, während er seinen Becher abstellte und seinen Neffen anblinzelte. «Tiberius besaß siebenundzwanzig Millionen in Gold – warum wollte er unbedingt noch reicher werden?»
    «Ich glaube, diese Dinge waren nicht nur in materieller Hinsicht kostbar», sagte Cahgula. «Ich habe darüber noch mit niemand gesprochen, nicht einmal mit Drusilla. Siehst du, es war kein Zufall, daß ich in Misenum war, als Tiberius dort eintraf. Ich habe auf ihn gewartet. Obwohl er Capreae ganz selten verließ, war er diesmal monatelang fort gewesen, aber niemand konnte genau erfahren, wo er sich aufhielt. Ich fand heraus, daß Tiberius bei den Paxi-Inseln war, jenen Inseln, wo der ägyptische Steuermann angeblich den Ruf vom Tod des Gottes Pan gehört hat. Und ich glaube, ich weiß, was er dort zu finden hoffte.
    Auf den Paxi-Inseln, nahe der griechischen Küste, steht ein großer Stein ähnlich denen in den Keltenländern, und darauf steht etwas in einer vergessenen Sprache, das angeblich niemand mehr entziffern kann. Aber Tiberius glaubte jemand zu kennen, der das vielleicht konnte – jemand, der ein ebenso großes Interesse daran haben könnte wie er und der ihm einen Gefallen schuldete. Du weißt, wer es ist, Onkel Claudius. Du selbst hast ihn vor ein paar Jahren nach Capreae gebracht, wo er Großvater bat, die von Sejanus erlassene Bestimmung aufzuheben und den Juden die Rückkehr nach Rom zu gestatten.»
    «Josef von Arimathäa! Aber er ist ein reicher jüdischer Kaufmann und ein Freund von Herodes Agrippa. Was weiß er von diesen Dingen?» rief Claudius.
    «Er scheint genug gewußt zu haben, um sich mit Tiberius auf Paxi zu treffen und im Lauf jener Monate diese Schrift auf dem Stein zu entziffern», erwiderte Caligula. «Als Großvater an jenem Abend in Misenum während des Essens krank wurde, blieb ich in seinem Zimmer, um nach ihm zu sehen, und ich habe gehört, was er im Schlaf oder vielmehr in seinen Fieberträumen, während er mit dem Tode rang, gesprochen hat. Soll ich es dir sagen? Ich habe nämlich alles aufgeschrieben. Ich bin der einzige auf der Welt, der es weiß – bis jetzt.»
    Als Caligula lächelte, wollte Claudius zurücklächeln, aber seine Lippen waren taub. In diesem Augenblick machte er sich kaum noch Illusionen über Tiberius Todesursache; er betete nur, daß der Wein, den er selbst eben getrunken hatte, nicht auch vergiftet war. Er fühlte sich richtig krank.
    Als Caligula seinen Onkel bei der Hand nahm, schien es Claudius, als würde es ringsum noch dunkler werden. Das einzige Licht, auf das er sich noch konzentrieren konnte, war das merkwürdige Funkeln, das aus den Tiefen von Caligulas Augen zu dringen schien.
    «Gewiß, gewiß», gelang es Claudius noch zu flüstern, bevor es völlig dunkel um ihn wurde.

    Die dreizehn heiligen Gegenstände

    Alle tausend Jahre, wenn während der Frühlings-Tagundnachtgleiche die Sonne vor dem Hintergrund eines neuen Sternbilds aufgeht, steigt ein Gott auf die Erde nieder und wird im Fleisch eines Sterblichen geboren. Der Gott lebt bis zum Reifealter unter den Sterblichen, dann läßt er sich opfern, wobei er seine fleischliche Hülle abwirft, um ins Universum zurückzukehren. Vor seinem Tod verleiht der Gott einem einzigen auserwählten sterblichen Wesen allumfassende Weisheit.
    Damit sich jedoch die göttliche Weisheit innerhalb der chronologischen Zeit auf Erden offenbaren kann, muß sie zu einem Gewebe geknüpft werden, dessen Knoten die Schnittpunkte von Geist und

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