New Heroes - Die Zeit der Superhelden
Wachstumsschmerzen, nannte seine Mutter das.
Danny wird bald losziehen, um die Welt zu retten und fantastische Abenteuer zu erleben, während wir anderen unser gewöhnliches langweiliges Leben weiterführen müssen. Das ist einfach nicht fair; ich will auch Superkräfte haben! Ich will mich so schnell wie Quantum bewegen können!
Colin war klar, dass er niemals würde einschlafen können, solange ihm diese Gedanken ständig durch den Kopf schossen.
Er drehte sich auf die andere Seite und versuchte, an etwas anderes zu denken – irgendetwas –, nur um sich von dem Gedanken abzulenken, dass sein bester Freund bald ein Supermensch sein würde.
Es funktionierte nicht.
Er warf sich in seine Lieblingslage zurück – auf den Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Jetzt versuchte er, sich auf das leise Summen des Verkehrs zu konzentrieren, der von der Autobahn herüberdrang; das war normalerweise ein ganz gutes Schlafmittel.
Nur eben heute nicht – im Gegenteil. Je mehr er sich auf den Verkehrslärm konzentrierte, desto deutlicher konnte er die verschiedenen Geräusche unterscheiden.
Draußen auf der Straße hupte ein Auto zweimal.
Jemand verabschiedete sich. Seine Tante hatte das auch so gemacht, als sie vorhin nach Hause gefahren war. Warum machten die Leute so was? Es würde doch eigentlich reichen, in den Wagen zu steigen und einfach loszufahren – damit war doch jedem klar, dass man nach Hause fahren wollte. Völlig unnötig, auch noch zu hupen und die gesamte Nachbarschaft aufzuwecken!
Er fragte sich, wer da wohl gehupt haben mochte, und konzentrierte sich noch mehr auf die Geräusche. Schwach hörte er eine Frau rufen: »Tschüs!«, als der Wagen losfuhr. Colin erkannte sogar ihre Stimme: Mrs Healy von Nummer 23. Dann hörte er, wie sie ihre Haustür schloss, in die Küche ging und den Wasserkessel füllte.
Ich träume, dachte Colin. Unmöglich, dass ich hören kann, wie Mrs Healy ihren Wasserkessel füllt!
Doch dann stellte er sich vor, dass er auch seine Eltern unten im Wohnzimmer hören konnte. Der Fernseher lief, aber sie achteten nicht darauf. Sein Vater war offenbar im Begriff einzuschlafen – sein Atem ging immer langsamer und regelmäßiger. Seine Mutter summte vor sich hin und … ja, sie las wohl ein Buch, denn Colin hörte, wie sie umblätterte.
Colin fuhr aus dem Bett hoch. Ein dünner Schweißfilm hatte sich auf seinem Nacken ausgebreitet und ihm war schwindelig.
»Das passiert wirklich«, sagte er laut. »Das ist kein Traum!«
Das kann ich doch unmöglich alles hören!
Was kann ich sonst noch hören?, fragte er sich. Er konzentrierte sich auf die Geräusche.
Autos. Regen. Schwache Musik aus einem der Nachbarhäuser. Eine Menge Stimmen, eine Menge Schnarchen. Irgendwo schrie ein Baby. Draußen: Schritte, das Platschen von Schuhen in Regenpfützen. Und ein fast unhörbares Piep-piep-piep, das er nicht zuordnen konnte.
Dann plötzlich hörte er Danny Coopers Stimme: »Wir gehen also zu Colins Haus? Er ist wahrscheinlich längst im Bett, Dad. Und seine Eltern bestimmt auch, wetten? Hat das nicht Zeit bis morgen früh?«
»Nein«, antwortete Mr Cooper. »Glaub mir, es ist sehr wichtig.«
»Na schön, aber hätten wir nicht einfach anrufen können?«
»Das muss persönlich erledigt werden.«
Colin stieg aus dem Bett und schaute aus dem Fenster. Er konnte immer noch hören, wie Danny und sein Vater miteinander redeten, aber er konnte sie noch nicht sehen.
Schnell zog er seine Jeans und ein Sweatshirt an, fischte die Trainingsschuhe unter dem Bett hervor und lief nach unten. Sein Vater fuhr aus dem Halbschlaf hoch, als Colin eintrat. »Dad? Mum? Etwas stimmt nicht. Danny und sein Vater kommen zu uns.«
Sein Vater runzelte die Stirn? »Was? Ich hab kein Telefon gehört.«
»Sie haben nicht angerufen. Ich kann sie reden hören.« Colin setzte sich auf das Sofa und zog die Trainingsschuhe an.
»Das verstehe ich nicht. Warum kommen sie zu uns?«
»Dannys Vater wollte es ihm nicht verraten.«
»Bist du sicher, dass du das alles nicht geträumt hast, Colin?«, fragte seine Mutter.
»Wenn ich nicht immer noch träume – und es sieht nicht so aus, oder? –, kann ich sie wirklich hören. Ich weiß nicht warum, aber es ist eben so.«
Caroline schlug das Buch zu, legte es nachdenklich weg und stellte sich vor ihren Sohn. »Was kannst du sonst noch hören?«
Colin schloss die Augen und lauschte. »Alles. Ich kann Katzen miteinander kämpfen hören. Hundegebell. Fernseher.
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