New York für Anfaengerinnen
Blaubeeren, den die Livrierte von vorhin servierte. Wie in Wimbledon.
Toms Vater wollte »alles über Deutschland« wissen. Ein Land, das er offenbar regelmäßig besucht hatte, als er in Zürich gewesen war. Er sprach ebenso begeistert von Goethe wie von Gulasch, von deutscher Effizienz und den Wagner-Festspielen in Bayreuth.
»Ihr Vater ist also auch Mediziner?«
»Ja. Aber nur Landarzt auf dem Dorf.«
»Was heißt denn hier ›nur‹? Manchmal glaube ich, dass das die befriedigendere Tätigkeit sein muss. Man ist viel näher dran an den Menschen, begleitet so manche fast ein Leben lang.«
Eines war Zoe ziemlich schnell klar geworden: Zumindest Toms Vater Charles und sie waren auf Anhieb dicke Freunde.
*
»Wieso habe ich das Gefühl, dass Kitty die Blumen lieber auf den Komposthaufen katapultiert hätte, wenn sie denn einen besitzen würde?«, fragte Zoe, als sie und Tom endlich alleine im gelben Zimmer waren.
Er wich verlegen ihrem Blick aus.
»Nun rück schon raus. Was hab ich diesmal wieder falsch gemacht?«
»Nichts«, antwortete er milde und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Die Geste zählt.«
»Ich will nicht, dass die verdammte Geste zählt. Ich will, dass sie gefällt.«
Tom holte tief Luft. Es dauerte eine scheinbare Ewigkeit, bis er antwortete. »Schnittblumen sind etwas sehr Europäisches, Zoe. Die würde hier niemand zu einer Dinnerparty mitbringen. Die schenken Männer gemeinhin ihren Geliebten. Außerdem hat Kitty das Dekorationsmotto des Festes genau mit dem Caterer, dem Dekorateur und dem Floristen besprochen. Und da kannst du mit deinen Blumen farblich und/oder stilistisch nur danebenliegen.«
»Was hätte ich denn bitte schön dann mitbringen sollen?«
»Duftseifen zum Beispiel. Mit eingestanztem Monogramm. Das entzückt Kitty immer. Und anschließend eine handgeschriebene Dankeskarte schicken.«
Duftseifen. Na bravo. Warum nicht gleich gravierte Klosteine?, dachte Zoe wütend. »Und wieso stellt sie die verdammten Dinger dann mitten ins Wohnzimmer auf den Flügel, wo sie jeder sehen kann, wenn sie nicht einmal zu ihrem Inventar passen?«
»Weil sie dir als Gast gegenüber höflich sein will.«
»Amerikanisch höflich.«
» Exactly . Sie würde das Grünzeug eher fressen, als es nicht prominent aufzustellen. Das wäre der viel schlimmere Fauxpas.«
Zoe standen die Tränen in den Augen. Nicht so sehr wegen ihrer fulminanten Fehleinschätzung, sondern weil sie den Beweis dafür – ein riesiges, nicht zu übersehendes Blumengesteck, das nicht zum Motto der Party passte, obwohl es weiß war, WEISS, verdammt noch mal! – das ganze Wochenende lang sehen musste.
*
Am nächsten Morgen herrschte angespannte Aktivität auf Old Trees. So musste es früher einmal bei Kriegsvorbereitungen zugegangen sein, und Kitty war der General. Gekonnt kommandierte Frau General ihr Personal über das Schlachtfeld. Hier ein bellendes » Move !«, da ein gütiges » Well done «. Die weißen Partyzelte waren bereits aufgestellt und flatterten leicht im Wind. Eine Armee aus Kellnern wurde in Uniformen gesteckt, schwarze Hosen, gestärkte weiße Hemden, und eingewiesen. Der Caterer des nahen Yachtclubs ließ das Menü absegnen. Hummer aus Maine, Bluepoint Austern und Ente von der North Fork, dazu heimische Weine von Wölffer Estates. Der Florist hatte passend zum maritimen Motto ein Blütenmeer in Blauschattierungen geliefert. Alles zur Zufriedenheit von Frau General. Dabei war Kitty wahrhaftig nicht leicht zufrieden zu stellen, aber eine geborene Whitney gab vermutlich so detaillierte Anweisungen, dass Fehler quasi unmöglich waren.
Tom spielte derweilen völlig entspannt mit seinem Vater eine Runde Tennis im Bath & Tennis Club von Southampton. Der hatte es gut. Für XY-Chromosomenträger war ein solches Event wie Kittys Sommerparty ja nicht weiter nervenaufreibend. Sie hüpften unter die Dusche, rasierten sich vielleicht gerade noch, zogen Khakihosen und ein weißes Hemd, einen dunkelblauen Blazer an und – schwupps – waren sie präsentabel. Frauen hingegen kriegten schon bei der Kleiderauswahl einen ersten Nervenzusammenbrauch. So auch Zoe. Drei hatte sie mit dabei, dazu jeweils passende Schuhe und eine ebensolche Handtasche. Das kurze Calvin-Klein-Teil war bei genauer Betrachtung der Festivitäten – nun ja, einfach zu kurz. Ihr Lieblingskleid, ein bodenlanges papageienfarbenes Calypso St. Bart’s-Exemplar, passte farblich leider überhaupt nicht zu Kittys Motto.
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