New York für Anfaengerinnen
geblieben) und prosteten sich zu.
»Trotzdem habe ich Gewissensbisse«, gab Zoe nach dem ersten Schluck zu und verfolgte die aufsteigenden Kohlesäurebläschen in ihrem Champagnerglas.
»Wieso denn? Wo ist dein strotzendes Selbstbewusstsein von heute Morgen geblieben?«, fragte Allegra entrüstet. »BNN ist ein I-d-i-o-t.«
»Wieso buchstabierst du das bitte? Ich bin des Alphabets durchaus mächtig.«
»Ach, weiß ich auch nicht. Vielleicht, weil ich so wütend auf ihn bin. Und auf dich. Du liebst ihn nämlich immer noch.«
»Quatsch! Wie kommst du denn darauf? Ich habe böswillig ein Pfund Kressesamen auf dem Designerteppich verstreut, den uns seine heiß geliebte Mutter zu Weihnachten geschenkt hat, und alles sorgfältig gewässert. Ich bin aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen, während er auf Dienstreise weilt. Herrgott, ich ziehe auf einen anderen Kontinent, ohne dass er etwas davon weiß.«
»Das ist doch alles im Affekt geschehen. Unter den gegebenen Umständen kämst du sogar mit Mord davon.«
»Meinst du wirklich?«
»Was? Das mit dem Mord oder dem Lieben?«
»Das mit dem Lieben.«
»Ja, meine ich wirklich. Du liebst dieses Weichei, diesen Warmduscher, diesen Bis-die-Anschnallzeichen-erloschen-sind-Sitzenbleiber immer noch.«
»Tue ich nicht«, antwortete Zoe trotzig.
»Tust du doch! Deshalb erkläre ich es jetzt hier noch mal für alle Anwesenden, die schwer von Begriff sind. Dein liebes Bennilein wollte eine Beziehung, aber nur eine, die easy ist. Easy, wie ich dieses Wort mittlerweile hasse. Er wollte edle Rosen im Garten, ohne sie gießen zu müssen. Er wollte einen Labradoodle oder wie diese komischen In-Hunde heutzutage heißen, der weder frisst noch scheißt und schon gar nicht Gassi gehen muss. Er wollte Kinder, aber nicht jetzt, sondern irgendwann. Die sollten aber am besten durchschlafend, stumm und stubenrein geliefert werden und keinesfalls dauerhaft bei ihm in der Designerwohnung wohnen. Dein liebes Bennilein wollte keine Verpflichtungen, meine Liebe. Er wollte immer nur: Schauen wir mal, dann sehen wir schon. Der Typ war völlig konflikt- und risikoscheu. Eine echte Lusche von einem Mann. Kapier das doch endlich, Zoe.«
»Besser eine Lusche als so ein reaktionärer Kotzbrocken im dreiteiligen Anzug, dessen Handy in der Senator-Lounge der Lufthansa mit der Titelmelodie des Weißen Hai klingelt.«
»Natürlich will man auch nicht so ein Achtzigerjahre-Auslaufmodell, das nur mit Mühe seine Nachkommen auseinanderhalten kann. Aber es muss doch irgendetwas zwischendrin geben? Zwischen Kuschelheini und Karrierekotzbrocken.«
»Müsste es«, antwortete Zoe nachdenklich und trank den restlichen Champagner in einem Zug aus.
»Müsste es«, wiederholte Allegra.
Dann machten sich die beiden zur Sicherheitskontrolle auf. Dort umarmte Zoe ihre Freundin und drückte sie fest an sich. »Ich werde dich vermissen, Al.«
»Ach was. Ich komm dich bald besuchen in dem großen Apfel da drüben.«
In Frankfurt zwischengelandet, machte sich Zoe auf den langen Marsch zu Gate C16, wo ein Airbus A380 auf sie wartete. Schon das Einsteigen in den Supervogel erwies sich als speziell. Während über fünfhundert Economy-Passagiere durch mehrere Gates, je nachdem, ob sie eher auf der linken oder der rechten Seite saßen, geherdet wurden, stapfte Zoe mit den anderen Business-Class-Passagieren die Treppe in den ersten Stock hoch. So weit, so schick. Dort oben sah alles aus wie in einer ganz normalen Business-Class. Breite Kuschelsitze, Steppdecken, großzügiger Stauraum überall. Und doch wollte bei fast hundert Mitreisenden ein besonderes – und vor allem mit rund viertausend Euro teuer erkauftes – Feeling nicht so richtig aufkommen.
»Der Vogel ist mir einfach zu groß«, murmelte Zoe, zog sich enttäuscht die dunkelblauen Lufthansa-Socken an, stellte dann aber mit großer Freude fest, dass es in der Goodie-Bag immerhin noch die Kosmetik-Pröbchen von Clarins gab.
Seit Zoe zur stellvertretenden Chefredakteurin von Deutschlands führendem Modemagazin VISION befördert worden war, gehörte sie zum sogenannten »erweiterten Führungskreis« bei Schönhoff Publishing. Was bedeutete, dass sie Anspruch auf einen Dienstwagen (Audi A3 oder Ähnliches), auf Dienstreisen in der Business-Class (allerdings nur auf Langstrecken von mehr als sechs Stunden) und auf eine halbe Sekretärin hatte – die andere Hälfte gehörte dem Textchef. Mittlerweile hatte sich Zoe eine Senator-Karte im
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