New York für Anfaengerinnen
aufeinandergeknüllte Berge von Klamotten balancierten, sodass man fast meinen konnte, sie hätten einen Altkleidercontainer ausgeraubt. Einen sehr noblen, zugegeben.
Hinter dem Vorhang, durfte Zoe dann gute fünfundzwanzig Minuten später feststellen, drängelten sich mindestens doppelt so viele unterschiedlich be- und entkleidete weibliche Wesen vor einer riesigen Spiegelwand. Dünne sowie sehr dünne Mädchen und dann noch solche, bei denen die Schlüsselbeinknochen so gefährlich hervorstanden, dass man sich bei einem in diesem Gedränge fast unvermeidlichen Zusammenprall gut blaue Flecken hätte holen können – und die gegnerische Partei vielleicht sogar einen Schlüsselbeinbruch.
Dieses kollektive Umkleiden gefiel Zoe gar nicht. Sie gehörte schon unter Normalumständen zu jener Sorte Frau, die grundsätzlich nie eine Umkleidekabine verlassen würde, um ihrer Freundin oder gar der Verkäuferin die Passform eines neuen Fummels zu zeigen. Nicht, weil sie sich mit ihrer Figur nicht wohlfühlen würde (mal abgesehen von den üblichen Beschwerden über gewisse alters- und faulheitsbedingte Oberschenkel- und Oberarmhinterhaut-Elastizität). Sondern weil sie die Musterung Dritter einfach nicht leiden konnte, solange sie sich nicht völlig sicher war, dass das Teil, das sie trug, auch wie für sie gemacht war. Läden ohne Spiegel in den Umkleidekabinen boykottierte sie deshalb generell.
Zoe merkte, wie Unbehagen in ihr aufstieg. Eine kleine Welle von Mini-Schweißausbrüchen, die in den überaus hygienisch-orientierten USA natürlich völlig inakzeptabel waren. Zudem war sie heute Morgen zu faul gewesen, sich die Beine zu rasieren. Was in wenigen Minuten, sobald sie ihre Jeans ausgezogen hatte, wohl ihre sofortige Deportation nach Deutschland zur Folge haben würde. Aber was tat frau nicht alles für einen Maxirock von Marc Jacobs, der noch dazu den Vorteil hatte, dass er die Stoppelwüste an ihren Schienbeinen perfekt kaschierte?
Zoe zog also in Fast-forward-Geschwindigkeit den bodenlangen Rock über ihre Jeans, schälte sich unter selbigem aus derselben hinaus, schlüpfte unter selbigem in die Ralph-Lauren-Reiterhosen, streifte den chunky sweater über den Kopf und hastete vor den Spiegel.
»Du siehst aus wie eine Obdachlose«, amüsierte sich Mimi, die seelenruhig ihr Narciso-Rodriguez-Kleid aufknöpfte und dann nur noch in rauchfarbener Agent-Provocateur-Wäsche dastand, die ihrem Namen wirklich alle Ehre macht – ein provozierender Hauch von durchsichtiger Spitze mit scheinbar unschuldigen Schleifchenapplikationen, die aber auf den zweiten Blick dann doch eher an Miniaturfesseln erinnerten. »Aber wie eine von der Upper East Side.«
Daten oder: The Three Date Rule
Daten findet in den USA strikt in drei Akten statt. Beim ersten Date gehen Mann und Frau einen Kaffee trinken oder zum Lunch. Für den Mann fühlt es sich in etwa an wie ein Vorstellungsgespräch für einen neuen Job. Mann zahlt. Eine Pause von mindestens drei Tagen folgt. Ein Anruf oder gar ein weiteres Date gleich am nächsten Tag wirkt völlig verzweifelt! Also: Finger weg vom Telefon. Er ruft an. Nach exakt drei Tagen. Beim zweiten Date gehen Mann und Frau dann auf Drinks aus. Mann zahlt. Beim dritten Date gehen Mann und Frau erst zum Dinner – und danach miteinander ins Bett. Mann zahlt (fürs Essen, nicht für den Sex!).
Unter keinen Umständen zahlt jemals die Frau ein Essen o.ä.; auch das Teilen der Rechnung (going Dutch) ist völlig inakzeptabel.
( New York für Anfängerinnen , S. 19)
Nach einem Nachmittag, der Geduld und Kreditkarten erschöpft hatte, bestellten sich Mimi, Eros und Zoe abends in der Bar des Empire Hotels eine Runde Champagner und begutachteten zufrieden ihre Kriegsbeute. Zoe hatte sich nach ihrem Schreckenserlebnis in der Schuhabteilung doch noch von Mimi zu einem Paar schwarzer Overknee-Stiefel von Prada und zu stahlgrauen Kitten Heels von Sigerson & Morrison überreden lassen. Mimi selbst hatte es zu sechs Paar Schuhen sowie drei Handtaschen und einem Burberry-Trenchcoat gebracht. Und Eros war von Kopf bis Fuß neu und farbenfreudig mit Dolce & Gabbana und Versace ausgestattet. Jetzt war Zoe klar, warum viele New Yorkerinnen (und schwule New Yorker) wie Carrie ihre Küchen in Zweitkleiderschränke umwandelten. Umwandeln mussten! Dann aßen sie fortan eben nur noch, was der Lieferservice brachte.
»Ich finde das Empire Hotel wirklich bourgeois«, beschwerte sich Mimi und musterte angewidert
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