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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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einfach zu küssen. Ihre andere Hand an seinen Hinterkopf zu legen und sein Gesicht zu sich herunterziehen. Stockholm Syndrom nannte man das, wenn sich Geiseln in ihre Entführer verliebten, hatte sie irgendwo gelesen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie ja eigentlich sauer auf ihn war. Ziemlich sauer sogar. Und die Magie des Moments war vorüber, wie bei einem plötzlichen Temperatursturz nach einem heftigen Gewitter.
    McSchleimi ließ ihre Hand los, als hätte auch er es instinktiv gespürt. Sie verließen das Apothekenzimmer und gingen an den Aufzügen vorbei Richtung Dachterrasse, als sich eine Fahrstuhltür öffnete und ein sehr großer, sehr schöner Mann heraustrat.
    »Tom!«, rief er und strahlte McSchleimi an.
    »Tom!«, rief McSchleimi und schlug dem anderen Tom kumpelhaft auf die Schulter.
    »Ich habe schon gehört, dass du wieder aus London zurück bist«, sagte der andere Tom, machte eine kurze Pause, in der er Zoe mit einem Blick streifte, und fügte etwas kryptisch an: »Wie ist die Stimmung da drüben?«
    McSchleimi schien über seine Antwort erst einmal kurz nachdenken zu müssen, so als ob er London eben im Kopf googeln musste. »Regnerisch-trüb«, antwortete er dann und wechselte schnell das Thema. »Darf ich dir die neue Digital-Queen von Schönhoff Publishing vorstellen?«
    Er legte jovial den Arm um Zoes Schultern, schob sie etwas näher zum unbekannten Tom und sagte: »Zoe Schuhmacher, das ist Tom Ford. Tom Ford, das ist Zoe Schuhmacher. Sie ist ein ganz großes Talent und für die neue Multiplattformstrategie des Hauses verantwortlich.«
    Nach einer Runde Nice-to-meet-yous , fügte McSchleimi noch an: »Zoe würde sich sicher freuen, ein exklusives Interview mit dir für ihre neue Modeplattform zu bekommen.«
    Zoe konnte nur zustimmend nicken.
    »Aber natürlich, Zoe«, antwortete Tom Ford. »Ich kann es kaum abwarten, mit dir zu sprechen, Darling. Ruf mich einfach an. Tom hat meine Nummer. Wir müssen uns unbedingt zum Lunch treffen.«
     
    Zoe und McSchleimi, der anscheinend wieder einmal den McNachbar mimte, setzten sich auf die Südostseite der Terrasse mit Blick auf die Wolkenkratzer von Midtown – und in die benachbarten, hell erleuchteten Wohn- und Schlafzimmer. New York war wirklich die Welthauptstadt der Voyeure.
    »Wodka Tonic«, bestellte McSchleimi für sich. »Und für dich, meine Liebe? Ein Cucumber Saketini?«
    Zoe nickte nur. Ihre innere Vernunft ließ alle Alarmglocken schrill bimmeln: »Denk an deine guten Vorsätze! Vorsätze sind dazu da, um eingehalten zu werden. Alles andere endet im Chaos!« Aber ihr Gehirn wurde gerade von einer Lawine aus hunderttausend verschiedenen Eindrücken überrollt, und sie wusste nicht, ob sie darin verschüttgehen oder einen Weg hinaus finden würde. Schwimmbewegungen machen, hatte sie einmal beim Skifahren im Tiefschneekurs gelernt. So erarbeitete man sich einen Hohlraum mit Sauerstoff zum Atmen. Manhattan. Dachterrasse bei Nacht. McSchleimi, der nach McNachbar roch und so tat, als wäre er ein anständiger Mensch, Anna, Rachel, Calvin, Ralph, Marc und natürlich Tom Ford, all die Wichtigen dieses Tages – und Zoe Schuhmacher aus Herpersdorf bei Ansbach schwamm mittendrin und rang nach Luft. Da half eigentlich nur Alkohol. Oder vielleicht eine Therapiestunde bei Woody Allens Psychiater.
    »Cheers«, prostete sie der Personalunion aus McSchleimi und McNachbar zu.
    »Cheers«, prostete die Personalunion aus McSchleimi und McNachbar zurück.
    »Warum hast du das gemacht?«, wollte Zoe anschließend wissen.
    »Was gemacht?«
    »Mir ein Interview mit Tom Ford besorgt?«
    »Erstens, weil ich es kann. Und zweitens, weil Tom und ich Freunde und langjährige Geschäftspartner sind. Ich habe seinen Kinofilm koproduziert.«
    »Du hättest es aber nicht tun müssen.«
    »Ich wollte es aber tun.«
    »Hast du es getan, weil du ein schlechtes Gewissen hast oder weil du rein prophylaktisch schon mal ein Zimmer hier im Hotel hast reservieren lassen und jetzt für gute Stimmung sorgen musst?«
    »Was denkst du von mir, Zoe?«, lachte er.
    »Das weiß ich gerade auch nicht genau«, antwortete Zoe. »Es schwankt zwischen Vollidiot und Prinz Charming.«
    »Bist du immer so europäisch ehrlich?«
    »Es wäre durchaus begrüßenswert, wenn auch du etwas ehrlicher wärst.«
    Endlich redeten sie – nur über das, was wirklich wichtig gewesen wäre, redeten sie nicht: die Chef-Sache. Dabei stand dieser weiße Elefant die ganze Zeit im Zimmer herum. Oder in ihrem

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