New York - Love Story
Wackeldackel.
»Apfel?« Sie deutet auf eine Obstschale auf der Theke.
Ich seufze. Danuta lacht.
»Demnächst bringe ich dir mal
Krowki
mit. Ich mache sie
selbst, weißt du. Sie sind viel leckerer als die aus dem Supermarkt.«
Keine Ahnung, was
Krowki
sind, aber ich lächle sie dankbar
an. Allein das Angebot stimmt mich ein bisschen fröhlicher.
»Hier. Vergiss das nicht. Ist zwar nichts zu essen, könnte
dir aber trotzdem den Tag versüßen, denke ich.« Danuta zeigt
wieder auf die Theke, doch dieses Mal sehe ich, dass neben
der Obstschale auch noch ein Umschlag liegt. Cremefarbenes
Büttenpapier mit Golddruck. In Madeleines geschwungener
Handschrift mein Name (oder das, was Madeleine dafür
hält):
Nicole.
»Den hat Mrs Carter für dich dagelassen. Dein Taschengeld,
würde ich vermuten.«
Gespannt nehme ich den Umschlag und reiße ihn sofort
auf. Danuta lacht wieder, als sie meinen erstaunten Gesichtsausdruck
sieht.
»Ja, Mrs Carter kann großzügig sein. Geld spielt für sie
keine Rolle. Sie hat es ja.«
Ich sage gar nichts, zähle nur mit Daumen und Zeigefinger
die Scheine. Es sind insgesamt zwanzig Zehndollarnoten.
Zweihundert Dollar! So viel Geld habe ich zu Hause nicht
einmal im ganzen Monat zur Verfügung. Natürlich weiß ich
nicht, ob es sich bei dem Inhalt des Umschlags um mein Taschengeld
für die kompletten sechs Wochen, die ich hier sein
werde, handelt, oder ob ich jetzt jede Woche einen solchen
Umschlag bekomme. Egal, erst mal habe ich zweihundert
Dollar. Das sollte ausreichen, um mir etwas Vernünftiges zu
essen zu kaufen!
»Ich freue mich auf die
Krowki«
, sage ich zu Danuta, obwohl
ich immer noch keine Idee habe, was das sein könnte.
Ich will mir schnell meinen Rucksack und den Reiseführer
holen, doch auf dem Weg zu meinem Zimmer höre ich
etwas, das mich innehalten lässt. Musik. Gitarre. Und es
klingt nicht, als liefe irgendwo eine CD.
Ich folge der Melodie und stehe schließlich vor einer der
Türen, die von dem langen Flur abgeht und bislang stets verschlossen
war. Heute ist sie nur angelehnt, und durch den
schmalen Spalt kann ich ganz genau hören, dass im Zimmer
jemand Gitarre spielt. Derjenige setzt an, spielt ein paar
Akkorde, lässt sie verklingen, beginnt erneut. So, als gäbe es
das Stück noch nicht, als sei es gerade erst im Entstehen. Das
Wenige, was ich höre, ist aber bereits sehr melodisch, ein
bisschen nachdenklich und so schön, dass ich die Tür am
liebsten aufstoßen würde, um zu sehen, wer sich dieses Stück
ausgedacht hat. Ich traue mich aber nicht.
Dann höre ich jemanden grummeln und leise fluchen –
und sofort weiß ich, wer da im Zimmer sitzt: David. Wer
sollte es auch sonst sein? Außer ihm, den Zwillingen, Madeleine
und Hugo wohnt ja niemand hier. Trotzdem finde ich
es schwierig, mir vorzustellen, dass ausgerechnet David diese
Musik macht.
Jetzt haut er mit voller Kraft in die Saiten. He, das Lied
kenne ich doch! Sofort habe ich die Worte zu den harten Akkorden
im Kopf: »Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist,
wie sie ist, es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.«
Ist das möglich? Wieso spielt dieser versnobbte, angepasste
amerikanische Schnösel ausgerechnet dieses rebellische Lied
von den Ärzten? Wieso spielt er überhaupt ein Lied von einer
deutschen Band? Sind Die
Ärzte
etwa so bekannt in den USA?
Plötzlich wird es still im Zimmer. Schnell weg, bevor David
mich vor seiner Tür erwischt.
Erst als ich unten auf der Straße stehe und die Autos an
mir vorbeirauschen, fällt mir auf, dass ich keinen Plan habe,
wo ich eigentlich hinwill. Also krame ich mal wieder meinen
Reiseführer raus.
Serendipity 3
heißt das Café, von dem Maja
mir geschrieben hat. »Ein Traum von Desserts« steht in meinem
New-York-Führer. Ich bin sofort überzeugt davon.
Zwölf Blocks ist das Café entfernt und ich beschließe zu
laufen. Ein Fehler, wie mir etwa auf der Hälfte der Strecke
aufgeht. Wann werde ich endlich begreifen, dass die Entfernungen
auf dem Stadtplan immer wesentlich kürzer aussehen,
als sie in Wirklichkeit sind? Auf dem Rückweg nehme
ich die Subway! Immerhin finde ich unterwegs einen Handyladen,
wo ich das Guthaben meines »cell« (wie die Verkäuferin
es nennt) aufladen kann.
Ich bin ausgehungert, als ich endlich bei
Serendipity
ankomme.
Von außen sieht der Laden recht unscheinbar aus:
Kellereingang, verschnörkelte Holztür, ein kleines Schaufenster,
in dem knallige Eisbecher ausgestellt sind. Die Innendekoration
ist dafür umso
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