New York - Love Story
das ist faaaantastisch!«, rufe ich übertrieben begeistert.
»Alles ist so faaantastisch hier. Schade, dass man durch
die faaantastischen Fenster dieser faaantastischen Limousine
so rein gar nichts sehen kann.« Ich schaue demonstrativ aus
dem Seitenfenster, doch aus dem Augenwinkel beobachte ich
Davids Reaktion. Genervt rollt er mit den Augen, dann wendet
er sich an unseren Fahrer.
»Jesús, el quemacocos, por favor.«
Was heißt das nun wieder? Im selben Moment, als ich mir
die Frage stelle, öffnet sich automatisch über uns ein breites
Schiebedach. David erhebt sich von seinem Ledersitz, streckt
erst den Kopf und anschließend den ganzen Oberkörper
hinaus. Lässig stützt er sich mit einem Ellenbogen aufs Wagendach.
Der Fahrtwind zerzaust ihm augenblicklich seinen
Fransenschnitt, aber ihn scheint das nicht zu stören.
Einen Augenblick lang bin ich unschlüssig, ob ich es David
gleichtun soll. Jesús kreuzt noch immer ziemlich zackig durch
den dichten Verkehr. Aber dann überwinde ich mich. Immerhin
habe ich mich gerade noch über die schlechte Sicht
beschwert, da sollte ich mich nicht anstellen, wenn David
mir eine bessere Aussicht anbietet. Etwas unsicher erhebe ich
mich von dem Ledersitz und werde beinahe zurückgeworfen,
als Jesús scharf bremst. Doch dann stehe ich neben David im
offenen Dachfenster.
Wir überholen einen roten Doppeldeckerbus, auf dem eine
eingepferchte Horde Touristen die Stadt auf den Displays
ihrer Digitalkameras betrachtet. Unsere Art von Sightseeing
ist definitiv cooler, das muss ich David lassen, auch wenn ich
sein lässiges Gehabe ziemlich großkotzig finde.
»Als Stadtführer solltest du jedenfalls nicht versuchen, dein
Geld zu verdienen«, wende ich mich provokativ an meinen
Gastbruder. Ich muss ziemlich laut sprechen, weil der Lärm
der anderen Autos meine Stimme übertönt.
»Wieso?« Er schaut mich mäßig interessiert an.
»Zu viele Informationen.«
»Ich habe mir den Job nicht ausgesucht.« Ungeduldig
trommelt David mit seinen Fingerspitzen auf das Autodach.
»Ich mir meinen auch nicht«, murmele ich, hoffe aber im
selben Moment, dass David mich nicht gehört hat. Ihn geht
es nun wirklich nichts an, was mich dazu gebracht hat, nach
New York zu fliegen und mich um seine zickigen Schwestern
zu kümmern.
»Und warum machst du ihn dann?«, frage ich lauter.
»Was glaubst du denn?« David sieht mich gereizt an, über
seiner Nase hat sich eine steile Falte in die Stirn gegraben,
sein Mund ist spöttisch verzogen. »Natürlich mache ich das
hier nur, weil ich meine Mutter nicht verärgern will. Immerhin
finanziert sie mir mein Journalismus-Studium – und
mein ganzes Luxusleben.«
Na klar, denke ich. Auch wenn ich David zutrauen würde,
dass er für das Geld seiner Mutter fast alles tut, ist die Ironie
in seinen Worten kaum zu überhören.
»Und ich bin nur hier, weil ich mir einen amerikanischen
Millionär angeln will. Das ist es doch, was du denkst«, gebe
ich patzig und ebenso ironisch zurück.
»Alle reichen Amerikaner stehen auf deutsche Mädchen,
das ist ja weltweit bekannt.«
»Weil wir so leicht zu haben sind, schon klar!«
David zuckt nur verächtlich mit den Schultern, und ich
bin geschockt, wie klischeehaft sein Bild von den
German
girls
ist.
»Du stehst also auf Mädels mit unrasierten Beinen und
riesiger Oberweite im Dirndl«, schicke ich noch mehr typische
Klischees hinterher.
»Sicher«, David grinst anzüglich. »Aber wir Amerikaner
sind viel zu prüde, um das zuzugeben. Wir lesen übrigens
auch jeden Morgen in der Bibel und küssen vor dem Zubettgehen
unsere Flagge.«
Über Davids Kopf hinweg sehe ich, dass wir gerade am
Empire State Building vorbeifahren. David scheint allerdings
viel zu beschäftigt mit unserem Schlagabtausch zu sein, um
sich weiter um seinen eigentlichen Job zu kümmern. Dieses
Wahrzeichen von New York erkenne ich aber auch ohne
fremdenführerische Hilfe.
Kurz gebe ich mich einem Tagtraum hin: Simon wartet auf
mich auf der Aussichtsplattform, einen Strauß mit Rosen in
der Hand, so wie Chuck auf Blair in
Gossip Girl.
Die romantische
Szene ist meine Lieblingsvorlage für Simons und mein
Wiedersehen in New York – auch wenn ich ihn dafür natürlich
erst finden muss!
»Okay, ich habe es eilig«, unterbricht David meine schönen
Gedanken. Er lässt sich wieder ins Innere der Limousine
gleiten und bedeutet mir, mich ebenfalls zu setzen. Mit ein
paar schnellen unverständlichen Sätzen gibt er Jesús seine
Anweisungen. Das
Weitere Kostenlose Bücher