New York - Love Story
schriller. Von der Decke hängen
verschiedene bunte Tiffany-Glaslampen, eine riesige Uhr
schmückt die eine Wand, Stühle, Regale, Raumteiler, alles ist
in geschwungenen Formen aus weiß lackiertem Holz gehalten.
Das Restaurant ist brechend voll und natürlich gilt die
Regel: »Please wait to be seated«. Schließlich führt mich eine
rundliche Kellnerin an einen kleinen Tisch in der Ecke, an
dem schon zwei junge japanische Touristinnen sitzen. Sie
sind so mit den Fotos auf ihrer digitalen Kamera beschäftigt,
dass sie meine Ankunft nicht bemerken.
Ich studiere die Karte, und mein Magen grummelt, als ich
nur die Namen der Köstlichkeiten lese: »Creme de la Creme
Cream Cheese Cake«, »Chocolate Blackout Cake«, »›Can’t Say
No‹ Sundae« und so weiter! Was nehme ich bloß? Schließlich
entscheide ich mich, der Empfehlung meines Reiseführers zu
folgen: »Frrrozen Hot Chocolate«, die Spezialität des Hauses.
Angeblich wollte Jackie Kennedy für eine ihrer Partys das
Rezept kaufen. Damals hat die Präsidentengattin es nicht bekommen,
mittlerweile kann man es in einem Kochbuch aus
dem Souvenirshop des Cafés nachlesen.
Tja, Pech gehabt, Jackie,
denke ich, als die Kellnerin einen riesigen Eisbecher vor
mir abstellt. Auf einem dicken Schoko-Milch-Shake türmt
sich ein Berg Schlagsahne, dekoriert mit Massen von Schokostreuseln.
Ich sauge an dem Strohhalm und fühle mich augenblicklich
wie im Schokoladenhimmel. Dafür hat sich der
Fußweg auf jeden Fall gelohnt!
Die beiden Japanerinnen bezahlen, und sobald sie aufgestanden
sind, bringt die Kellnerin eine neue Tischnachbarin
für mich, eine Frau, vielleicht Ende zwanzig, im schwarzen
Business-Kostüm mit Aktenkoffer. Sie ordert ebenfalls eine
»Frrrozen Hot Chocolate« und zwinkert mir zu.
»Deutsche?«, fragt sie auf Deutsch. Ich starre sie verblüfft
an. Sehe ich so deutsch aus?
»Das war nicht schwer!« Sie zeigt auf den Reiseführer, den
ich auf dem Tisch abgelegt habe. Natürlich!
»Ich bin Karin«, sagt sie und reicht mir über den Tisch die
Hand.
»Niki.«
»Was machst du in New York?«
»Ich arbeite als Au-pair.«
»Ich bin geschäftlich hier. Eigentlich stecke ich den ganzen
Tag in Meetings, aber einen Besuch im
Serendipity
wollte ich
mir heute nicht entgehen lassen. Ich liebe den Film!«
Schon wieder der Film. Den scheinen alle Leute außer mir
zu kennen. Als ich Karin diese Bildungslücke gestehe, ist das
für sie eine Steilvorlage. Offensichtlich redet sie gern.
»Was? Den kennst du nicht? Der ist
so
romantisch! Es geht
um zwei Leute, einen Mann und eine Frau, die treffen sich
durch Zufall beim Shoppen. Bei Bloomingdale’s. Dann gehen
sie hierher und verlieben sich ineinander. Aber die Frau will
das Schicksal darüber entscheiden lassen, ob sie sich wiedersehen.
Also schreibt sie ihre Telefonnummer in ein Buch und
er muss seine Nummer auf einen Fünfdollarschein schreiben.
Sie verkauft das Buch und den Fünfdollarschein gibt er
für eine Rolle Pfefferminzbonbons aus. Jahre später, beide
sind mittlerweile mit jemand anderem verlobt, machen sie
sich doch wieder auf die Suche nacheinander. Hier in New
York. Und tatsächlich findet der Mann das Buch und die
Frau bekommt den Geldschein in die Hände und sie kommen
zusammen, aber das dauert natürlich ewig und es gibt
tausend Verwicklungen bis dahin.«
Karin strahlt mich an. Ich nuckele an dem Strohhalm und
nicke nachdenklich. Tausend Verwicklungen. Das klingt in
etwa nach meiner bisher erfolglosen Suche nach Simon. Ob
das Schicksal will, dass wir wieder zusammenfinden?
»So, ich muss los! War nett, mit dir zu plaudern. Viel
Spaß noch in New York.« Karin hat ihren Milch-Shake im
Rekordtempo geleert und springt schon wieder auf, um zu
einem ihrer Meetings zu eilen.
Auch ich bezahle meinen Schokoladentraum, dafür geht
der erste der Geldscheine drauf. Wenn ich nicht aufpasse, bin
ich das großzügige Taschengeld in dieser Stadt schnell wieder
los! Trotzdem kann ich nicht widerstehen und nehme im
Rausgehen ein Paket Instant-»Frrrozen Hot Chocolate« mit.
Falls ich in nächster Zeit mal wieder das dringende Bedürfnis
nach einer extragroßen Portion Schokolade haben sollte.
Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich, fürchte ich.
»Kommt, wir müssen uns beeilen.«
Ich raffe die rosa Trikots und die Ballettschühchen zusammen
und stopfe sie in die Sporttaschen der Zwillinge. Wir
hängen mal wieder hinter dem straffen Zeitplan her und
Gwyn und Gwen sind keine große Hilfe. Sie haben sich an
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