New York - Love Story
den
Händen gefasst und tänzeln leichtfüßig durch ihr Zimmer,
begleitet von ihrem eigenen Gesang: »Oh baby, yeah, yeah,
yeah …« Der neueste Nummer-eins-Hit von Colin Bisam.
»Gwy-yn, Gwe-en, los jetzt!«
Ich will sie an den Armen packen, doch sie entwinden sich
mir mit einer schnellen Pirouette, die ihre Pferdeschwänze
zum Fliegen bringt. Gwyn hat sich heute ein lila Band darumgebunden,
Gwen ein grünes. Ansonsten tragen sie wie
immer Partnerlook.
»Ich fahre ohne euch!« Eine schwache Drohung. Was sollte
ich allein beim Ballettunterricht?
»Colin, Colin«, fängt Gwen an zu skandieren, Gwyn fällt
augenblicklich ein. »Colin, Colin!«
Ich rolle mit den Augen. Was haben die beiden heute bloß
mit diesem Popstar mit dem Babyface?
»Colin is in town!« Nun johlen sie unisono. So begeistert
kenne ich die beiden gar nicht.
»Was ist denn los?«, frage ich schließlich.
Aufgeregt hüpfen sie vor mir auf und ab. »Wir wollen
Colin sehen!«
Als ich nicht sofort reagiere, folgt eine lange Aneinanderreihung
von »Pleasepleasepleasepleaseplease!«
Okay, jetzt mal langsam. »Colin Bisam ist in New York?«
»Yesyesyesyesyesyes!«
»Und ihr wollt ihn sehen?«
»Yesyesyesyesyesyes!«
»Und wie soll das gehen?«
»Er gibt Autogramme!«
»Bei
Barnes and Noble.
«
»Da müssen wir hin.«
»Jetzt gleich.«
Aufgeregtes Auf-und-ab-Hüpfen und »Colin«-Rufen.
Stopp! Das meinen die beiden doch wohl nicht ernst.
»Sorry, aber das geht nicht. Ihr müsst zum Ballettunterricht.
Was soll ich denn eurer Mommy sagen?«
Das Hüpfen endet abrupt. Betretene Mienen. Schweigen.
»Nichts?« Gwyn flüstert fast und schaut mich aus großen
Kinderaugen von unten an.
»Gar nichts?«, schlägt Gwen vor.
»Nein, wirklich, das geht nicht.« Ich schüttele den Kopf,
obwohl ich den flehenden Blicken kaum widerstehen kann.
Zumal ich die Zwillinge gut verstehen kann. Ich war zehn
Jahre alt, als ich mich zum ersten Mal schwer verliebt habe: in
den Schauspieler Johnny Depp. Was hätte ich damals darum
gegeben, meinem Leinwand-Idol in der Realität zu begegnen!
Auch wenn ich heute darüber lächle, denn seit ich Simon
kenne, weiß ich, wie sich wahre Liebe anfühlt!
»Pleasepleasepleasepleaseplease!«
Ich schüttele wieder den Kopf, allerdings schon weniger
energisch. Die Zwillinge spüren meinen Stimmungswandel
sofort.
»Wenn du mit uns zu Colin gehst …«, fängt Gwyn an.
»… machen wir ab sofort alles, was du sagst«, beendet
Gwen den Satz.
Ich ringe mit mir. Nicht, weil ich das Friedensangebot der
kleinen Monster so verlockend finde. Aber ich sehe, wie viel
ihnen die Sache bedeutet. Ich habe längst gemerkt, dass sie
zwar jede Menge Spielzeug haben, aber nur selten das bekommen,
was sie sich wirklich wünschen. Und was ist schon
dabei? Wir müssen Madeleine ja wirklich nichts davon erzählen,
dass wir uns heute mal nicht strikt an den Plan halten.
»Okay.«
Der Jubel ist ohrenbetäubend. Die Zwillinge fassen sich an
der Hand und stürmen aus dem Zimmer.
Bereits im Taxi überkommen mich Zweifel, ob die Idee so
gut war. Doch ein Blick zu den beiden kleinen Mädchen, die
neben mir auf der Bank hibbelig hin und her rutschen und
singen, zerstreut meine Bedenken schnell wieder. Ich habe sie
noch nie so lebhaft gesehen.
Das Taxi bringt uns bis zur 48th Street, Höhe Rockefeller
Center, dann ist Schluss. Straßensperren. Hinter den Metallgittern
drängen sich Mädchen jedes Alters, manche so jung
wie Gwyn und Gwen, viele aber auch so alt wie ich und älter.
Einige sehen aus, als könnten sie bereits Mütter sein, obwohl
sie keine Kinder dabeihaben. Das Colin-Fieber hat alle Generationen
infiziert.
Die Zwillinge springen aus dem Taxi und stürmen in Richtung
der Warteschlange. Schnell packe ich Gwyn und Gwen
bei den Handgelenken. Nicht auszudenken, wenn ich die beiden
in dem Gedränge verlieren würde! Ungeduldig ziehen sie
mich hinter sich her.
Hinter den Absperrungen haben sich Polizisten aufgebaut,
die die Fans beäugen, viele der Uniformierten haben angesichts
der kreischenden Teenager ein amüsiertes Lächeln im
Gesicht. Wir reihen uns am Ende der langen Schlange ein
und stecken schon nach kürzester Zeit mittendrin. Immer
mehr Colin-Fans drängen von hinten nach, bald ist die Warteschlange
einen ganzen Häuserblock lang. Es müssen Tausende
sein, die hier auf ihren Star warten.
Die Sonne knallt auf unsere Köpfe, die Temperaturen sind
wie immer tropisch. Viele der Wartenden haben rosa Kappen
mit dem Schriftzug
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