New York - Love Story

dass
du ihm gleich meine Seele offenbaren würdest? Aber stopp. Immer
schön laaaangsam, höre ich dich rufen. Also, der Reihe nach.
Im Grunde hast du ja alles mitgekriegt. Dass ich Mario zufällig
getroffen und mit ihm zur WG gegangen bin. Naja, so ganz zufällig
war das wohl nicht. Ehrlich gesagt, gefällt er mir schon
viel länger. Seit der Party vor zwei Monaten, um genau zu sein.
Aber ich habe mich nicht getraut, es ihm zu sagen. Und – bitte
schimpf nicht – ich habe mich nicht einmal getraut, es dir zu
sagen. Weil du doch meinst, dass er ein schrecklicher Computer-
Freak ist. Aber eigentlich ist er das gar nicht. Sondern total
lieb und witzig. Und die Nerdbrille trägt er nicht ständig, er hat
eigentlich Kontaktlinsen, die konnte er nur in letzter Zeit nicht
benutzen, weil er eine Augenentzündung hatte.
    Ich muss schon wieder grinsen. Meine Mundwinkel tun ein
bisschen weh davon, weil sie in den letzten Tagen so wenig
Gelegenheit zum Lachen hatten. Aber Maja ist echt eine Granate.
Verliebt sich in Mario und sagt mir kein Wort davon,
weil sie glaubt, ich würde ihn für einen Nerd halten. Dabei
war sie es, die die Bezeichnung zum ersten Mal benutzt hat.
    Jedenfalls fand Mario mich wohl auch gut. Aber er hat sich
ebenso wenig getraut, mich anzusprechen. Er dachte, ich könnte
jeden haben, weil ich doch so hübsch sei und sicherlich schon
sehr erfahren, was Jungs angeht. Wenn der wüsste, dass ich
alles, was ich über Männer weiß, aus
Sex and the City
habe!
    Anders als Mario ist mir bekannt, dass Majas Wissen in Sachen
Sex rein theoretisch ist. Dass sie noch nie einen Freund
hatte, fand ich nicht weiter störend. Bislang habe ich gedacht,
dass meine Freundin bei Jungs einfach sehr wählerisch ist.
Warum sie sich jetzt ausgerechnet den unscheinbaren Mario
ausgesucht hat, kann ich mir nicht erklären.
Aber wo die Liebe
hinfällt …
denke ich und schlucke schwer. Meine Wahl habe
ich wohl kaum besser getroffen!
    Wahrscheinlich hätten wir uns in hundert Jahren nicht erzählt,
was wir füreinander empfinden. Aber deine Mail hat die Sache ins
Rollen gebracht. Denn als er die Nachricht gelesen hat, hat Mario
sich doch getraut, mir zu sagen, dass er sich in mich verliebt
hat. Tja, und jetzt sind wir zusammen. Und ich bin so happy! Ich
könnte dich tausendmal drücken dafür, obwohl ich dir eigentlich
den Hintern versohlen müsste!
Ich vermisse dich, Süße, aber bald sehen wir uns ja wieder.
XOXO, Maja
    Als ich mein Postfach schließe, kullern mir schon wieder lästige
Tränen über die Wangen. Klar freue ich mich für Maja.
Aber ihre Mail hat mir meine ausweglose Situation noch einmal
deutlich vor Augen geführt. Jetzt hat Maja durch einen
verrückten Zufall – oder meinetwegen dank des Schicksals –
ihren Traumboy gefunden. Aber für meine Story wird es kein
Happy End geben!
    Genervt wische ich die Tränen ab und öffne Skype. Mom
ist online und freut sich über meinen Anruf. Doch als sie
meine Stimme hört, ist sie, wie erwartet, sofort besorgt.
    »Nikilein, was ist denn los?«, fragt sie mit ihrer weichen
Mutterstimme, die sie sonst nur anschlägt, wenn ich krank
bin. Sofort habe ich wieder einen Kloß im Hals.
    »Mir geht’s gut«, presse ich an dem Kloß vorbei und kämpfe
die Tränen runter. Aber meine Mom kann ich nicht täuschen.
    »Weinst du etwa, Niki?«, hakt sie nach und prompt rinnen
wieder Sturzbäche über mein Gesicht. »Tief durchatmen«,
ordnet meine Mutter aus der Ferne an, und als sich meine
Tränen tatsächlich wieder etwas beruhigt haben, insistiert sie:
»Erzähl mir, was passiert ist.«
    Eigentlich wollte ich meiner Mutter die Notlüge mit dem
Heimweh erzählen und mir die Wahrheit für einen späteren
Zeitpunkt aufsparen – oder sie der Einfachheit halber ganz
verschweigen. Doch dieser Mutterstimme kann ich nicht
widerstehen. Die ganze verrückte Geschichte bricht unsortiert
aus mir heraus: dass Simon mit mir Schluss gemacht
hat und ich ihm nach New York gefolgt bin, um ihn zu suchen.
Wie furchtbar es zunächst mit den Zwillingen war und
dass es jetzt eigentlich gut läuft, aber dass David sich nicht
für mich interessiert, sondern nur für Blondie. Und dass ich
mich schrecklich in ihn verliebt habe. Und er mich geküsst
hat. Und dass ich fast mit Simon geschlafen hätte, aber zum
Glück nur fast. Und dass David seit Tagen kein Wort mehr
mit mir gesprochen hat. Und dass es mir ganz sicher das
Herz zerreißen wird, weil ich weiß, dass er der einzig Richtige
für mich ist