New York - Love Story
bringen.
»Hm«, brummt Simon bestätigend. »Hier wohnen wir.«
»Wir?«
»Na, die Jungs von der Band und ich.«
»Ihr wohnt hier zu fünft?« Ich habe das Appartement zwar
noch nicht gesehen, aber wenn man von der Größe des Wohnzimmers
auf die restlichen Räume schließt, kann es sich kaum
um eine passende Wohnung für fünf Personen handeln.
»Es gibt zwei Schlafzimmer«, verteidigt Simon das Appartement,
als würde es sich um seinen Palast handeln. Meine
Skepsis scheint mir jedoch ins Gesicht geschrieben zu sein,
denn Simon erklärt säuerlich: »Wohnraum ist sauteuer in
Manhattan. Wir mussten uns ein bisschen einschränken.«
»Nein, es ist wirklich schön«, betone ich eilig. Bloß nicht
schon wieder einen Streit anfangen!
Simon nimmt noch einen Zug von seiner Zigarette, dann
drückt er sie in einem überquellenden Aschenbecher aus.
»Weißt du, es hat nicht so gut angefangen, wie wir es erwartet
hatten.« Simon nimmt meine Hand und beginnt, mit
meinen Fingern zu spielen. Früher fand ich das immer süß,
jetzt macht es mich ein bisschen nervös. »Toni, der Agent,
hat uns nicht gesagt, dass er in finanziellen Schwierigkeiten
steckt. Einen Tag, nachdem wir in New York angekommen
sind, ist ihm ein großer Deal geplatzt. Und – bumm – da war
er pleite.« Simon haut mit der Faust aufs Sofa, dass die leeren
Pizzakartons in die Höhe hüpfen.
»Oh, das tut mir leid«, schiebe ich ein und will Simon über
den Arm streicheln. Doch er ist schon wieder aufgesprungen.
Im Hinausgehen fragt er: »Noch ein Bier?« Ich schüttele nur
den Kopf. Meine Dose ist ja noch halb voll.
»Jedenfalls müssen wir uns nun mit irgendwelchen Jobs
durchschlagen, ich hab angefangen, in einem Restaurant zu
arbeiten«, erzählt Simon etwas kleinlaut, als er sich kurz darauf
wieder neben mich aufs Sofa wirft. Ein Bild drängt in
meinen Kopf: Simon mit weißer Haube und Schürze.
»Das warst also wirklich du«, sprudelt es aus mir heraus.
»Ich hab dich gesehen. Aber als ich nach dir gerufen habe,
warst du plötzlich wieder verschwunden.«
»Echt?« Simon lacht. »Das ist ja ein irrer Zufall. Dass wir
uns in dieser riesigen Stadt gleich zweimal über den Weg laufen!
Darauf trinken wir.« Er hebt seine Dose und leert sie
mit mehreren großen Schlucken. Auch ich nippe an meinem
Bier, es ist inzwischen lauwarm.
Soll ich Simon erzählen, dass es kein so großer Zufall war,
dass wir uns heute Abend über den Weg gelaufen sind? Dass
ich wochenlang nach ihm gesucht habe, ja, dass ich eigentlich
nur seinetwegen in New York bin?
Nein, entscheide ich spontan, ich sage es ihm lieber nicht.
Sonst denkt er nur, dass ich klammern würde, und das kann
er, wie gesagt, gar nicht leiden. Bisher hat er sich noch mit
keinem Wort erkundigt, was mich eigentlich in diese Stadt
verschlagen hat. Dann brauche ich es ihm auch von mir aus
nicht zu erzählen, finde ich. Besser, er glaubt an den großen
Zufall – an das Schicksal, wie Maja jetzt sagen würde!
Ich rutsche ein bisschen näher zu Simon und schmiege
mich wieder an ihn.
»Und wie ging es weiter?«, frage ich.
»Natürlich haben wir die ganze Zeit auf einen Auftritt gewartet«,
fährt Simon bereitwillig fort. Wieder legt er seinen
Arm über die Sofalehne um meine Schultern. »Als Sven von
dem Wettbewerb im
Chicky CitCat
erfahren hat, war uns
gleich klar, dass das unsere Chance ist. Heute Abend hat sich
das Blatt wieder gewendet und auf diesen Gig werden weitere
Angebote folgen.« Simon klingt so überzeugt, dass ich es tunlichst
vermeide, meine Zweifel anzusprechen. Ob es für eine
kleine deutsche Band in einer Großstadt wie New York, die
vor Musikern nur so wimmelt, tatsächlich Hoffnung auf den
Durchbruch gibt? Ich weiß es nicht, allerdings fand ich die
Musik von
Vision
immer gut. Vielleicht packen die Jungs es
ja wirklich.
»Und du, was machst du in New York?« Simon lässt die
leere Bierdose achtlos auf den Boden fallen und greift mit
der frei gewordenen Hand nach meiner. Jetzt hat er die Frage
also doch gestellt, nachdem ich gerade beschlossen habe, dass
ich ihm die Antwort darauf lieber schuldig bleibe.
»Sprachkurs«, sage ich. Diese Erklärung ist mir gerade
erst eingefallen. »Meine Mom wollte, dass ich mein Englisch
verbessere. Deshalb darf ich den Sommer über hier an einer
Sprachschule pauken.«
Die Lüge fällt mir leicht, weil ich sie damals mit Maja
bereits so gut durchdacht habe. Kurz frage ich mich, ob
es richtig ist, Simon anzulügen. Aber als er mich enger an
sich
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