New York - MERIAN Portraet
Bühnenbild von Oliver. Irene zeigt uns die Kostümentwürfe: atemberaubend. Ich kann es kaum glauben: 40 Jugendliche stehen für uns auf der Bühne. 40 Kids … die niemals zuvor gesungen haben – und deren Musik einfach himmlisch klingt. Ich denke, wir hatten Recht mit unserer Idee, keine ausgebildeten Sänger zu engagieren: Alles, was professioneller klingen würde, würde es ruinieren. Ein gutes Beispiel, wie sich Nachteile in Vorteile verwandeln.«
Sechs Wochen später ist es soweit. Die »West Side Story« hat Premiere; Tanz, Gesang und Schauspiel verschmelzen auf hohem, nie da gewesenem Niveau. »Es war genau wie wir es geträumt haben. Das lange Warten, Umschreiben und Zweifeln hat sich gelohnt« , hält der Komponist fest. »Ich habe geweint und gelacht als ob ich es nie zuvor gehört hätte. Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass wir alle zusammengearbeitet haben und daran geglaubt haben, dass diese Geschichte ohne Happy End auskommt. Auf dem Broadway passiert so etwas sehr selten. Ich bin stolz, daran mitgewirkt zu haben.« Die »West Side Story« wird auch als Film ein Welterfolg und mit zehn Oscars prämiert.
ALLES VERSCHMILZT – DIE MENSCHEN, DIE MUSIK
In den folgenden Jahrzehnten arbeitet Bernstein weltweit als Dirigent, Komponist, Pianist und Musiklehrer. In seiner eigenen Fernsehsendung zeigt er einem jungen Millionenpublikum auf unterhaltsame Weise, wie ernste Musik funktioniert. Über das Dirigieren schreibt er: »Der Dirigent muss seine Gefühle so ausstrahlen, dass sie auch noch den letzten Mann in der zweiten Geige erreichen. Wenn das eintritt, wenn hundert Menschen genau zur gleichen Zeit seine Gefühle teilen, wenn sie ihm in jeder Wendung und inneren Bewegung folgen – dann entsteht eine Gemeinschaft des Fühlens, die einzigartig ist. Unter allen menschlichen Beziehungen, die ich kenne, kommt diese der Liebe am nächsten.«
Eine seiner letzten Arbeiten führt ihn in das wiedervereinte
Berlin
, wo er am 23 . und 25 . Dezember 1989 anlässlich der Feierlichkeit zum Fall der Mauer in der Philharmonie sowie im Konzerthaus Beethovens Neunte Symphonie dirigiert. Den Text der Schiller-Hymne »Ode an die Freude« ändert er in »Ode an die Freiheit« um – und sagt: »Ich bin sicher, dass Beethoven uns zustimmen würde.«
Am 14 . Oktober 1990 stirbt Leonard Bernstein in seiner Wohnung im
Dakota Haus
an den Folgen eines Herzanfalls, umgeben von Familie und Freunden. Die New Yorker ehren ihn mit drei Gedenkfeiern: in der
Carnegie Hall
10 ( ▶ K 4 ) für den Dirigenten, am
Majestic Theater
für den Broadway-Komponisten und in der
Cathedral Church of St. John the Divine
für den Musiklehrer. Er wird unter großer Anteilnahme der New Yorker auf dem
Greenwood Cemetery
in
Brooklyn
beigesetzt.
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TRUMAN CAPOTE
1924 – 1984
Der Autor von »Frühstück bei Tiffany« ist in New York eine umstrittene Ikone. Man liebt seinen Wortwitz und fürchtet seine Sprachgewalt, die er – wie auch Norman Mailer – hemmungslos einsetzt.
D a lauert er bereits, der »kleine Rattenfänger«, und wartet auf sein Futter. Schmalbrüstig, mit dicken Brillengläsern, wie ein 14 -Jähriger. So beschreibt
Gloria Vanderbilt
in ihren Memoiren den Schriftsteller Truman Capote. Nein, besonders schmeichelhaft klingt das nicht. Doch die Millionen-Erbin hat ihre Gründe. Capote hat ein Manuskript veröffentlicht, in dem sie ebenfalls nicht besonders schmeichelhaft wegkommt.
Dabei hatte alles so amüsant angefangen. Der smarte Autor ist in den 50 er- und 60 er-Jahren eine der schillerndsten Figuren der New Yorker Gesellschaft. Wo immer er auftaucht, schart sich eine illustre Traube um ihn. Der exzentrische Bonvivant schmeißt Bälle im
Plaza Hotel
24 ( ▶ K 4 ) , manchmal verkleidet er sich, üppig mit Schmuck behangen, auch als Frau. Die High Society liebt seine Eskapaden und seinen scharfzüngigen Esprit und gewährt ihm unverhohlen Einblick in ihren Lebensstil. Doch als Capotes süffisante Kabinettstückchen 1975 zunächst im »Esquire« und später in dem Schlüsselroman »Erhörte Gebete« erscheinen, werden neben Gloria Vanderbilt auch andere reiche Erbinnen blass. Sie sind zwar nicht namentlich genannt, aber leicht zu identifizieren.
Sie hätten es besser wissen können, denn Capote, dieser scharfzüngige Menschenkenner, hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er ebenso gern tratscht wie alle anderen auch. In den Klatschspalten der 60 er-Jahre ist er omnipräsent und in Fernsehshows ein gern
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