New York - MERIAN Portraet
Milieu, um zielstrebig und mit strategischem Gespür seine Talente zu entfalten. Anfangs wohnt er mit einem Freund am flippigen
St. Mark’s Place
31 ( ▶ E 6 ) , später bei der Tanztherapeutin
Francesca Boas
in einer Fabriketage in
Chelsea
. Rasch bekommt Andy Warhol Aufträge von Modemagazinen wie »Glamour«, »Vogue« und »Harper’s Bazaar«. In ausgelatschten Turnschuhen und Baumwollhosen besucht er die Redaktionen und verblüfft seine Auftraggeber mit perfekt ausgearbeiteten Illustrationen, die er in einer Papiertüte herumträgt. »Reich denken, arm aussehen«, lautet seine Devise. Warhol übernimmt Jobs als Grafiker, Art-Director und Buchillustrator und wird bald mit Branchenpreisen ausgezeichnet.
ER IST SKURRIL, SÜSS UND SEHR SCHÜCHTERN
Privat hält er sich zurück, ist eher wortkarger Voyeur denn Akteur. 1950 zieht er vorübergehend in eine Wohngemeinschaft in der
103 rd Street
, in der viele Schwule leben. Seine Mitbewohner beschreiben ihn als »skurril, entrückt, süß und bezaubernd – aber schrecklich schüchtern« . Noch hat er nicht den Mut, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, die Anfang der 50 er-Jahre in den USA verboten ist, was die Szene in den Untergrund treibt. Zudem ist sein Selbstbewusstsein wegen einer Pigmentstörung und seines dünnen Haars nur schwach ausgeprägt. Vermutlich auch deshalb vermeidet er körperliche Kontakte und zieht sich auf Partys auf die Rolle des schweigsamen Beobachters zurück . »Obwohl Andy manchmal scheu und geistesabwesend war, wollten sich alle mit ihm unterhalten. Er hörte einfach nur zu und gab keine Kommentare ab, hatte nicht viel zu bieten, und trotzdem mochten ihn alle. Er hatte massenhaft Freunde, weil er immer irgendwie anders war. Immer sagte er etwas Unerwartetes, wie ein unschuldiges Kind, und das faszinierte die Leute« , erinnert sich sein Assistent
Vito Giallo
.
1957 unterzieht er sich einer Schönheitsoperation und trägt fortan helle Perücken und dunkle Sonnenbrillen. Sein exzentrischer Look wird zum Markenzeichen. Er arbeitet viel und geht nachmittags auf einen Frozen Banana-Cake ins Künstlercafé
Serendipity 3
29 ( ▶ K 5 ) . Das bunt dekorierte Puppenstuben-Café, in dessen Schaufenster Kitsch und Kitsch um Aufmerksamkeit wetteifern, zieht noch heute Gäste an. Hier stellt er im Dezember 1956 seine Zeichnungen »Drawings for a Boy-Book by Andy Warhol« aus.
Warhol lebt nun an der Ecke
75 th Street
und
3 rd Avenue
mit seiner Mutter Julia zusammen. Sie führt seinen Haushalt. Weitere Mitbewohner: ein Haufen Katzen, die »Sam« heißen. Anfang der 60 er-Jahre kauft er in der
Lexington Avenue
sein erstes Haus. Seine Mutter Julia wird bis zu ihrem Tod bei ihm wohnen.
Die Zeit ist allmählich reif für eine Weiterentwicklung, das kulturelle Klima günstig. New York ist mit Riesenschritten dabei, Europa als Trendsetter zu überholen. Amerikanische Maler wie
Jasper Johns
und
Robert Rauschenberg
stellen ihre Werke in
Leo Castellis
berühmter Galerie aus und etablieren eine neue Kunstrichtung: die Pop-Art. Warhol profitiert nun von seinen prominenten Party-Kontakten. Er verlagert seinen Schwerpunkt auf Film und bildende Kunst und arbeitet sich zielstrebig an die Spitze der neuen Avantgarde. In seinen Factorys, riesigen Ateliers in wechselnden Fabriketagen, versammelt er Künstler, Freaks, Prominente und Underdogs zu einer Art Familie um sich. Ein bunter Haufen, der exzessive Partys feiert, mit Drogen und Kunst experimentiert. In der legendären
Silver Factory
( ▶ J 4 ) auf der
47 th Street
finden legendäre Happenings statt, die Türen stehen jederzeit offen. »Beruflich kam ich gut voran. Ich hatte mein eigenes Atelier, und ein paar Leute arbeiteten für mich, und es hat sich so ergeben, dass sie auch in meinem Atelier wohnten. In dieser Zeit lief alles locker und flexibel. Die Atelierleute waren nachts wie tags da. Und die Freunde von den Freunden: Es lief ständig Maria Callas, und überall waren jede Menge Spiegel und massenhaft Alufolie.«
Warhol hat eine Vorliebe für die Farbe Silber und kleidet seine Wände mit Silberfolie aus. Später wird er in Galerien silberne Luftkissen vor Kuhtapeten schweben lassen. Auch die Diskothek
Dom
, die er in
St. Mark’s Place
31 ( ▶ E 5 ) im
Greenwich Village
für Performances mietet, bringt Warhol zum Glitzern. Zu Warhols wachsender Entourage gehören nun auch junge Frauen aus Manhattans »Upper Class«, die was Verrücktes erleben wollen. Die glamouröse
Edie Sedgwick
, eine
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