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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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kreisen, Eurem Mund entfleuchen.»
    Zwei, drei Abende später, nachdem Newton die Goldprobe persönlich getestet und seinen ersten Eindruck, dass es sich um eine Unze echten Goldes handelte, bestätigt gefunden hatte, begleitete ich ihn zu Doktor Loves Haus in Soho, wo Graf Gaetano die Nachricht, seine Probe betreffend, mit maßvollem Lächeln und bescheidenem Schulterzucken aufnahm, fast als erwartete er, dass seine Demonstration jetzt überflüssig wäre und Newton ihn bereits zu seiner Transmutation beglückwünschen würde. Doktor Love hatte ein prächtiges Mahl aufgetischt, doch noch ehe wir einen Bissen davon verzehren konnten, sah Newton, schon jetzt von der Konversation der beiden Philosophen gelangweilt, auf seine Uhr und erklärte, er könne es nicht erwarten, die Transmutation zu verfolgen.
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    «Was sagt Ihr, Graf?», fragte Doktor Love. «Seid Ihr bereit?»
    «Absolut.»
    Wir begleiteten Doktor Love und den Grafen in eine Werkstatt im rückwärtigen Teil des Hauses, wo der Schmelzofen bereits brannte, sodass sich der ganze Raum wie ein Backrohr anfühlte.
    Da öffnete Newton einen Beutel, welchen er mitgebracht hatte und entnahm ihm einen Schmelztiegel.
    «Um jede Täuschung auszuschließen», erklärte er, «habe ich einen Schmelztiegel und Holzkohle mitgebracht und dazu etwas Quecksilber, dem mit Sicherheit kein Gold beigemengt ist. Ich dachte, Ihr würdet mir gewiss zustimmen, dass es wichtig ist, an hermetische Dinge grundsätzlich mit größtmöglicher wissenschaftlicher Strenge heranzugehen.»
    Graf Gaetano lächelte breit. «Absolut», sagte er, nahm Newton die Gegenstände ab und machte sich an seine Transmutation.
    «Würdet Ihr mir die Gunst erweisen», sagte Newton, «mir Eure Vorbereitungen etwas näher zu erläutern, während Ihr bei der Arbeit seid?»
    «Ich fürchte, das muss vorerst geheim bleiben, Sir», sagte der Graf.
    «Natürlich. Wie lange wird das Werk brauchen?»
    «Nicht länger als ein paar Minuten», erwiderte der Doktor. «Es ist ein erstaunliches Verfahren.»
    «Das muss es allerdings sein», bemerkte Newton. «Denn alle Eingeweihten, die ich studiert habe, bezeugen, dass mehrere Monate nötig sind, um eine Transmutation zu vollbringen.»
    «Mehrere Monate, um das Geheimnis der Weisen zu ergründen», sagte der Graf entschieden. «Doch wenn man das große Geheimnis erst kennt, ist das Werk selbst das Einfachste von der Welt. Nun, Sir, wenn Ihr Euch bitte dort drüben hinstellen wollt.»
    «Ich muss gestehen, ich bin fasziniert», sagte Newton und
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    entfernte sich von einem metallenen Nachtstuhl, der in der Ecke stand.
    Der Graf legte ein halbe Unze Blei in Newtons Schmelztiegel und erhitzte es auf dem Schmelzofen und als das Blei sich verflüssigt hatte, schüttete er seine Tinktur darauf und wir sahen, wie sie das Blei bedeckte.
    «Gentlemen», sagte der Graf. «Wollt Ihr bitte ein wenig zurücktreten und Eure Augen bedecken, denn es wird einen grellen Lichtblitz geben und Ihr könntet für eine Weile geblendet sein.»
    Wir traten von dem Schmelztiegel zurück. Mehrere Minuten passierte gar nichts, sodass ich schließlich der Versuchung nicht widerstehen konnte, durch die Finger zu linsen und just in diesem Moment war da ein greller Blitz, verbunden mit einem starken Zimtgeruch und ich sah, wie der Graf vorhergesagt hatte, für ein paar Minuten nur einen grünen Fleck vor Augen.
    Doch als ich mein Sehvermögen wiedererlangt hatte und den Schmelztiegel erne ut inspizierte, erkannte ich zu meiner Verblüffung, dass sich die ganze Masse in etwas verwandelt hatte, das wie reinstes Gold aussah.
    «Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte», sagte ich.
    «So viel ist sicher», sagte Newton.
    Der Graf goss das flüssige Gold zu einem kleinen Barren, tauchte diesen, nachdem er ausreichend abgekühlt war, in Wasser und polierte ihn dann, damit wir ihn in Augenschein nehmen konnten.
    Newton legte den kleinen Goldbarren auf eine Waagschale, um das Gewicht zu bestimmen und lächelte. Er reichte mir den Barren und während ich staunend auf das Wunder starrte, inspizierte er den Schmelztiegel, aus dem er gegossen worden war.
    «Meine Zweifel sind ausgeräumt», erklärte er mit fester Stimme.
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    «Sir, Ihr seid ein Gauner. Ich hielt es für angemessen, meine Zweifel hinsichtlich Eurer Demonstration auszuräumen, indem ich den Gießschnabel des Tiegels, den ich Euch gab, markierte.
    Da diese Markierung nun verschwunden

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