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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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während wir von Soho in Richtung Piccadilly marschie rten. «Sie ist die Tochter meiner Halbschwester Hannah, die mit einem Geistlichen aus Northamptonshire, dem Reverend Robert Barton, verheiratet war. Doch der starb vor drei Jahren und hinterließ kaum Geld für die drei Kinder, sodass ich selbst die Kosten für deren Erziehung übernahm. Ich habe meiner Nichte gesagt, ich sei ein langweiliger Stockfisch, aber sie wünscht London zu sehen und außerdem ist Northampton, die ihrem Heimatdorf nächstgelegene Stadt, ein trübseliger Ort, da von dem großen Brand im Jahr 1675 weitgehend zerstört und die dortige Gesellschaft nicht das Passende für ein Mädchen von Catherines Intelligenz. Oder vielleicht auch von ihrer Erscheinung. Lord Montagu, der sie kennen gelernt hat, erklärte mir, sie sei eine große Schönheit. Doch ich lege auch Wert auf Eure Meinung, Mister Ellis, denn ich glaube, von Frauen
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    versteht Ihr wohl am meisten.»
    «Aber Sir, habt Ihr sie denn selbst noch nie gesehen?»
    «Doch, natürlich. Aber ich muss gestehen, ich verstehe wenig von dieser Eigenschaft eines Körpers und ihrer mechanischen Einwirkung auf Geist und Sinne anderer menschlicher Wesen.»
    «Man könnte meinen, Ihr sprecht nicht von einem Mädchen, sondern von einem geometrischen Problem, Sir», sagte ich lachend. «Ich glaube nicht, dass sich Schönheit mit mathematischen Mitteln begreifen lässt.»
    «Das», sagte Newton, «ist allein Eure Meinung.» Die junge Frau, der ich jetzt vorgestellt wurde, war vielleicht achtzehn oder neunzehn und es fiel schwer, an ihr irgendeine größere Ähnlichkeit mit ihrem Onkel zu entdecken, was aber vielleicht so erstaunlich nicht war, wenn man bedachte, dass ihre Mutter ja nur Newtons Halbschwester war. Sie war hübsch, das war unbestreitbar; aber mir schien sie, ehrlich gesagt, in den ersten Minuten unserer Bekanntschaft nicht eine so große Schönheit, wie Lord Montagu gemeint hatte. Und ich brauchte mehrere wunderbare Minuten, um zu begreifen, dass Schönheit mehr ist als nur ein hübsches Gesicht, dass da auch Miss Bartons offenkundige Intelligenz mit ins Spiel kam. Denn ihr vortrefflicher Verstand, die meisten anderen Frauen, die ich kannte, waren weit schüchterner und zurückhaltender als Newtons frühreife Nichte, gab ihren hübschen Zügen etwas außerordentlich Gedankenbeseeltes und da dies mit ihrer ansprechenden Erscheinung zusammenkam, verstärkte sich die Wirkung gegenseitig, sodass mein Eindruck zwangsläufig der großer Schönheit war. So großer Schönheit, dass ich mich nach und nach außerordentlich angetan fand und bald feststellte, dass sie mich viel zu sehr beschäftigte. Sie war in der Konversation weit über ihre Größe und ihr Alter hinaus klug und geistreich und im Benehmen überaus wohlerzogen, denn sie hatte die letzten neun oder zehn Jahre die Schule daheim in Brigstock besucht.
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    Als wir zu Abend gegessen hatten, sagte sie: «Mein Onkel hat mir erzählt, dass Ihr, ehe Ihr in seine Dienste tratet, Advokat werden wolltet, Mister Ellis.»
    «Ja, das war meine Hoffnung, Miss Barton.»
    «Dass Ihr dann aber ein Duell austrugt, das Euch zwang, Eure Studien abzubrechen.»
    «Ja, das ist richtig, wenn ich mich auch fast schon schäme, Euch das einzugestehen, Miss Barton.»
    «Unsinn», schimpfte sie. «Ich habe noch nie jemanden getroffen, der ein Duell ausgetragen hat. Ihr seid mein erster Duellant, Mister Ellis. Aber ich gestehe, ich habe schon Dutzende von Ad vokaten getroffen. Northamptonshire wimmelt geradezu davon. Ist das da der Degen, mit dem Ihr gekämpft habt?»
    Ich sah auf den Griff meines Rapiers hinab. «Ja, das ist er.»
    «Ich würde ihn gern sehen. Wenn ich Euch nett darum bitte, würdet Ihr ihn mir dann zeigen?»
    Ich sah ihren Onkel an.
    «Ich habe nichts dagegen», sagte er.
    Kaum dass er das gesagt hatte, hatte ich auch schon mein Rapier gezogen und präsentierte es Miss Barton, vor ihr kniend, auf dem Ärmel meines Rocks. «Gebt Acht, Miss, es ist sehr scharf.»
    «Ihr wirktet auf mich nicht wie ein Mann, der mit einem stumpfen Degen herumläuft, Mister Ellis.» Sie fasste den Griff, hob mein Rapier und focht ein wenig durch die Luft. «Und habt Ihr ihn getötet?»
    «Dann stünde ich jetzt nicht hier», sagte ich. «Ich habe ihn nur geritzt, an der Brustwarze.»
    Miss Barton inspizierte die Spitze meiner Klinge im Feuerschein. «Der Gedanke, dass dieser Stahl hier das Blut eines Mannes vergossen hat», hauchte sie und dann: «Ich würde

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