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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Gelenke auseinander reißt, presst ihn diese zu einem Ball zusammen, wobei der Druck den menschlichen Körper beinahe zermalmt.
    Diese Foltermethode war noch schrecklicher und perfekter als das Streckbett, sodass in Extremfällen der Brustkorb des Gefolterten zerquetscht wurde, was rasch zum Tode führte.
    Zudem ist das Gerät weitaus handlicher als das Streckbett und man kann es zum Gefangenen bringen statt umgekehrt.»
    «Und Ihr glaubt, dass der arme Mister Macey auf diese Art zu Tode gekommen ist?»
    «Da seine Verletzunge n dem eindeutig entsprechen», sagte er,
    «ja.»
    Newton trug immer noch Mister Osbornes Messer bei sich und benutzte es jetzt, um von den Handlöchern etwas auf ein Blatt Papier zu schaben, das er mir anschließend hinhielt. «Wenn ich mich nicht täusche, ist das hier getrocknetes Blut. Aber wir werden es später unters Mikroskop legen.»
    «Ihr habt ein Mikroskop? Ich habe noch nie durch ein Mikroskop geschaut», gestand ich.
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    «Da seid Ihr zu beneiden. Denn erstmals Naturphänomene durch ein Mikroskop zu betrachten ist eine atemberaubende Erfahrung.»
    «Wenn Ihr Recht habt», sagte ich, «und das da Blut ist, muss George Macey etwas gewusst haben, was andere unbedingt wissen wollten, sonst hätten sie ihn nicht so grausam gefoltert.»
    «Münzwerker kennen immer das eine oder andere Geheimnis», sagte Newton, «wenngleich ich wetten möchte, dass keiner unter ihnen, Macey eingeschlossen, nicht für ein paar Guineen sein Wissen preisgäbe. Nein, es liegt näher zu folgern, dass Macey etwas abgepresst werden sollte, was er nicht wusste, sonst hätte ihn die unerträgliche Pein, die dieses Gerät verursacht, wohl schon viel eher zum Reden gebracht, auf jeden Fall aber, ehe er die tödlichen Verletzungen erlitt.»
    «Welch schreckliche Vorstellung», sagte ich entsetzt. «Wegen etwas gefoltert zu werden, was man weiß, wäre ja schon schlimm genug. Aber um wie viel schlimmer muss es sein, wenn man nichts zu verraten hat.»
    «Euer Selbsterhaltungstrieb ist mir eine, wenn auch zweifelhafte, Beruhigung», sagte Newton und schenkte mir, während er das Papier mit dem mutmaßlichen getrockneten Blut zusammenfaltete, ein frostiges Lächeln. «Er überzeugt mich, dass ich Euch nicht ein weiteres Mal zu ermahnen brauche, in dieser Angelegenheit absolutes Stillschweigen zu wahren.
    Derjenige, der George Macey umgebracht hat, würde uns zweifellos so bedenkenlos die Kehle durchschneiden, wie andere Gurken schneiden.
    Kommt, lasst uns von hier verschwinden. Sonst könnte uns noch jemand hier sehen und ob unseres Interesses an diesem Gerät beunruhigt sein.»
    Als wir das Coldharbour-Gebäude verließen, äußerte Newton den Wunsch, mit in mein Haus zu kommen, um dort sein Mikroskop zu benutzen, das uns, wie er sagte, die weiteren
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    Ermittlungen erleichtern würde. Doch vor der Tür des Münzwarthauses trafen wir Mister Kennedy, einen weiteren Spitzel aus der Münze und zwei Gentlemen, die ich nicht kannte.
    Mister Kennedy war von höchst abschreckendem Äußeren, denn er hatte eine falsche Nase aus Silber, um die klaffenden Nasengänge zu bedecken, welche der Verlust seiner alten Nase hinterlassen hatte. Diese sei ihm, so erklärte er, bei einem Unfall im Walzwerk abhanden gekommen, aber ich wusste, es gab viele Männer, die vermuteten, der Unfall habe sich in Wahrheit in den Geschlechtsteilen einer Hure ereignet. Diese Besonderheit verlieh Mister Kennedy jedoch etwas Schurkisches, was es ihm erlaubte, mit den schlimmsten Halunken Londons zu verkehren. Nachdem ihm einer der beiden Gentlemen fürs Herführen einen Schilling gegeben hatte, zog er sich zurück und überließ es ihnen, sich vorzustellen. Der größere, ältere und weniger elegant gekleidete Besucher übernahm das Reden.
    «Sir», sagte er mit einer höflichen Verbeugung. «Es ist uns wahrlich eine große Ehre. Erlaubt mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Christopher Love. Vielleicht habt Ihr ja meine Arbeit über die Prinzipien der Chemie gelesen, welche an der Universität von Leyden gelehrt werden?»
    «Ich bedaure, dieses Vergnügen nicht gehabt zu haben», sagte Newton schroff, da er es hasste, von neuen Schülern aufgesucht zu werden, während er mit Belangen der Münze beschäftigt war.
    «Macht nichts», sagte Doktor Love. «Das ist Graf Gaetano aus Italien, in seinem Land ein höchst angesehener und beschlagener Philosoph, der auch viel auf dem Gebiet der geheimen Kunst geforscht hat.»
    Der Graf, ganz in Moireseide

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