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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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«waren sie Halunken und er beachtete sie kaum. Da waren andere, die er besser zu kennen schien. Gentlemen von der Börse, oder jedenfalls glaubte ich das.»
    «Der Königlichen Börse?»
    «Das dachte ich, aber inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher.
    John sollte falsche Guineen verwenden, um irgendwelche Händler zu bezahlen und ich war vehement dagegen, weil ich dachte, er würde ertappt werden. Doch als er mir die Guineen zeigte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand sie nicht für echt halten könnte, was, wie ich gestehen muss, meine Einwände ausräumte. Tatsächlich begreife ich immer noch nicht, wie der Schwindel aufgedeckt wurde, Sir, da mein Mann stets echte und falsche Münzen mischte.»
    «Er ist kein besonders guter Schwindler, Euer Mann. Im Ginrausch hat er sich gebrüstet, dass die Guinee, mit der er sein Willkommen entrichtet hatte, gefälscht war.»
    Mrs. Berningham schüttelte seufzend den Kopf. «Schnaps hat er noch nie vertragen.»
    «Diese anderen Männer, die Ihr für Gentlemen von der Börse hieltet, wie hießen die?»
    Mrs. Berningham schwieg einen Moment, als versuche sie sich zu erinnern. «John hat es mir gesagt, aber...» Sie schüttelte den Kopf. «Vielleicht fällt es mir ja bis morgen wieder ein.»
    «Mrs. Berningham», sagte Newton unwirsch. «Ihr redet viel,
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    aber Ihr sagt uns wenig Substanzielles.»
    «Es war», sagte sie seufzend, «ein äußerst verwirrender Abend.»
    «Das stimmt», sprang ich ihr bei. «Seht doch, die Lady ist ganz erschöpft von den Strapazen.»
    «Mit der Zeit, Mister Ellis, werdet Ihr lernen, dass die Erfindungsgabe mancher Leute ungeheuer ist. Nach allem, was wir wissen, ist diese Frau ebenso schuldig wie ihr Mann.»
    Worauf Mrs. Berningham äußerst gekränkt schien und zu weinen begann, was Newton nur noch unwirscher machte. Er schnalzte mit der Zunge, verdrehte die Augen zum Kutschendach, stöhnte wie jemand, der Bauchweh hat und rief dann dem Kutscher zu, er solle sich beeilen, wenn er ihn nicht in den Wahnsinn treiben wolle. Unterdes hielt ich die ganze Zeit Mrs. Berninghams Hand und versuchte sie zu trösten, wodurch sie sich schließlich so weit beruhigte, dass sie Newtons nächsten Worten zu folgen vermochte.
    «Madam, wir suchen den Mann», sagte er langsam und deutlich,
    «der die Guinee herstellte, welche Euer Mann törichterweise in Umlauf gebracht hat. Er ist sehr wahrscheinlich Franzose. Und er hat möglicherweise Zähne à la chinoise, was heißt, dass sie schwarz und ziemlich verfault sind und dass sein Atem, sollte er je mit Euch gesprochen haben, ungemein übel gerochen haben müsste. Vielleicht sind Euch auch seine Hände aufgefallen, die wie ein Milchpudding zittern, was Ihr möglicherweise in Zusammenhang mit seinem gewaltigen Durst gebracht habt, einem Durst nach Bier oder ähnlichen Getränken, niemals aber nach Wein, denn dieser Mann trinkt nicht zum Vergnügen, sondern aus Notwendigkeit, da er Flüssigkeit so dringend braucht wie die ausgedörrte Erde im Sommer.»
    Zu meinem Erstaunen, weil ich diese Beschreibung noch nie zuvor gehört hatte, begann Mrs. Berningham schon zu nicken, ehe mein Herr ausgeredet hatte.
    «Aber, Doktor Newton», rief sie aus. «Ihr müsst meinem Mann
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    ja begegnet sein.»
    «Dieses Vergnügen ward mir noch nicht zuteil», sagte Newton.
    Mrs. Berningham sah mich an. «Dann müsst Ihr ihn dem Doktor beschrieben haben.»
    «Nein, Madam», sagte ich.
    «Aber wie könnt Ihr ihn dann so genau schildern? Denn er war in letzter Zeit tatsächlich nicht recht gesund.»
    «Das braucht Euch im Augenblick nicht zu interessieren», sagte Newton.
    Newtons Kutsche hielt jetzt vor Mrs. Berninghams Haus in der Milk Street und wir setzten sie ab, wobei mein Herr sie noch ermahnte, das Whit nur bei Tageslicht aufzusuchen, wenn ihre Sicherheit eher gewährleistet sei.
    «Aber woher wusstet Ihr, wie Berningham aussieht?», fragte ich, als sie auf dem Weg zu ihrer Haustür war. «Ein Mann, den Ihr noch nie gesehen habt und von dem Ihr bisher noch nicht einmal gehört hattet. Und dennoch erkannte ihn Mrs.
    Berningham in Eurer Beschreibung wieder.»
    Auf meine Frage lächelte Newton leise und, wie mir schien, selbstzufrieden. «Er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand, er offenbart, was tief und verborgen ist; er weiß, was in der Finsternis liegt, denn bei ihm ist lauter Licht. Buch Daniel, Kapitel zwei, Vers einundzwanzig und zweiundzwanzig.»
    Ich gestehe, ich war ob

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