Newtons Schatten
drei Jahren hätte ich mich beinahe vergiftet, indem ich Quecksilberdämpfe einatmete, wenn diese Giftwirkung auch nicht sonderlich bekannt ist. Quecksilber verlangt Respekt. Es ist nichts, was man ungefährdet handhaben kann und das wird uns bei unseren Ermittlungen helfen, denn es gibt viele äußere Symptome einer
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Quecksilbervergiftung.»
«Was tun wir jetzt?»
«Was würdet Ihr an meiner Stelle tun?»
«Ich würde diesen John Berningham wegen der falschen Guinee verhören. Vielleicht könnten wir ihn ja dazu bringen, sein Gewissen zu erleichtern.»
«Das wird eine Weile dauern», sagte Newton. «Halunken seines Schlages lügen oft immer weiter, bis sie den Atem des Henkers im Nacken spüren. Es wäre besser, mehr über die Sache zu wissen, ehe wir ihn verhören. Ihr sagt, er hat dafür bezahlt, dass seine Frau ihn besuchen darf?»
«Ja, Sir. Eine Unze Silber für dieses Privileg, im Voraus.»
«Dann ist sie vielleicht der Schlüssel, der uns die Tür öffnen wird.» Newton merkte auf. «Aber ich höre, dass der Dekan eingetroffen ist. Ich muss den Gastgeber spielen.»
Wir schlüpften in unsere Röcke und gingen nach oben, um zu Mittag zu speisen. Der Dekan war als Tischgesellschaft unterhaltsamer denn als Prediger und beschäftigte Newton mit diversen theologischen Themen, während Miss Barton und ich einander schöne Augen machten. Ein-, zweimal rieb sie sogar mein Schienbein mit ihrem bestrumpften Fuß, während sie gleichzeitig über die Predigt des Dekans diskutierte, sodass ich dachte, sie sei vielleicht doch verderbter, als ich es je vermutet hätte.
Nach dem Essen erhob sich Newton und verkündete, wir beide hätten noch in Münzangelegenheiten zu tun und ich verabschiedete mich widerstrebend von Miss Barton.
«Gehen wir in die Münze?», fragte ich, als wir vor dem Haus in der Jermyn Street standen.
«Sagte nicht Mister Fell, der Aufseher von Newgate, Mister Berninghams Frau wolle heute um fünf Uhr ihren Mann besuchen?»
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«Doch. Ich muss gestehen, das hatte ich ganz vergessen.»
Newton lächelte schmallippig. «Offenbar wart Ihr im Geist mit frivoleren Dingen beschäftigt. Nun denn, wenn Ihr mir jetzt Eure volle Aufmerksamkeit schenken könntet, Sir. Wir werden uns jetzt nach Newgate begeben und während ich Scotch Robin und John Hunter verhöre, es ist ja möglich, dass sie nicht die einzigen Halunken aus der Münze sind, die einen Prägestock für Goldguineen gestohlen haben könnten, werdet Ihr nach dieser Mrs. Berningham Ausschau halten. Und wenn Ihr sie seht, dann geht ihr nach, denn ihr Mann wird sicher verschwiegen haben, wo er wohnt.»
Wir begaben uns nach Newgate, wo mein Herr, da er von einem der oberen Fenster aus erkannt worden und bei den Gefangenen seiner Tüchtigkeit wegen äußerst verhasst war, einer Kotwurst ausweichen musste, was er mit solcher Behändigkeit tat, dass ich merkte, wie athletisch er trotz seiner vierundfünfzig Jahre im Notfall war. Als wir durchs Tor gingen, zog er den Vorfall ins Scherzhafte, indem er erklärte, es sei nur gut, dass ihm ein Apfel auf den Kopf gefallen sei und keine Kotwurst, denn sonst wäre er niemals auf seine Theorie der universellen Gravitation gekommen, weil er nichts als Scheiße im Kopf gehabt hätte.
Berningham saß im normalen Gefängnis, welches aus dreizehn Abteilungen bestand, jede so groß wie eine Kirche und ich saß auf einer Holzbank vor der betreffenden Tür herum wie ein gewöhnlicher Gefangenenwärter. In dieser Zeit boten sich mir zwei der drei Huren an, welche ihr Gewerbe im Gefängnis verrichteten und hin und wieder kam auch eins der Kinder, die dort lebten, ein kleiner, fast zahnloser Junge, der mir eine mehrere Tage alte Zeitung anzudienen versuchte und sich erbot, mir «Wäsche und Logis» zu besorgen, eine der Bezeichnungen der Bewohner dieses schrecklichen Ortes für Schnaps.
Schließlich erbarmte ich mich des Bürschchens und gab ihm einen Halfpenny für seinen Unternehmergeist, welcher immerhin erträglicher war als der der Dirnen, die mir eine Drei-
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Penny-Stehpartie in einem ruhigen Winkel des Whit offerierten.
Das alles ließ ich über mich ergehen, bis mir der Wärter, dem ich ebenfalls eine Münze zugesteckt hatte, bedeutete, dass eine, trotz der Kapuze, die ihr Gesicht guten Teils verdeckte, überaus hübsch wirkende Frau, welche er soeben in die Abteilung gelassen hatte, die fragliche Lady sei. Sie im Blick zu behalten würde nicht schwer sein, denn über ihrem Kostüm aus grauer
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