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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die Natur Schlichtheit bevorzugt und den Pomp überflüssiger Worte und Gedanken gar nicht mag.»
    «Was verschafft uns die Ehre Eures Besuchs, Doktor?» Er nahm von Mister Marks ein Tuch entgegen und wischte sich damit sorgfältig das Gesicht ab.
    «Wir sind gekommen, um Euch diesen Dolch zurückzugeben», sagte Newton.
    Mornay sah flüchtig auf den Dolch, welchen Newton ihm höflich, den Griff voran, entgegenstreckte, dann kurz auf mich und erwies sich als höchst unverfrorener Lügner.
    «Ich besitze keinen solchen Dolch», sagte Mornay. «Wer behauptet das?»
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    «Ihr erkennt ihn vielleicht nicht wieder», sagte Newton, «weil ich ihn für Euch gereinigt habe. Sonst wäre ein solcher Dolch wohl kaum zu verkennen. Denn die Klinge trägt eine höchst noble Gravur. Sie lautet: ‹Denkt an Sir Edmund Berry Godfrey.
    Denkt an den Glauben.›»
    «Amen», sagte Captain Martin.
    «Amen, ja», sagte Mornay. «Dennoch ist das nicht mein Dolch.»
    Newton war noch immer ganz freundliches Lächeln. «Wenn Ihr das sagt, Major, muss es wohl stimmen, denn Ihr seid ein Gentleman. Aber wir sollten doch wohl das Zeugnis der gesunden Augen eines Mannes nicht um der Konstruktionen eines anderen willen missachten.» Newton zeigte auf mich.
    «Dieser Gehilfe sah Euch den Dolch hier letzte Nacht verlieren, vor einem Haus in Lambeth Marshes.»
    «Ich war letzte Nacht nicht einmal in der Nähe von Lambeth Marshes.»
    Als Newton sah, dass ich Mornays unverschämter Lüge widersprechen wollte, fasste er mich am Arm und schüttelte so dezent den Kopf, dass nur ich es sah.
    «Einer der beiden Gentlemen muss sich irren.»
    «Ich irre mich nicht», sagte Mornay.
    Newton ließ meinen Arm los, was ich so deutete, dass ich jetzt endlich sprechen dürfe.
    «Ich auch nicht», sagte ich.
    «Nun, dann ist wohl einer der Gentlemen, welcher, kann ich nicht sagen, ein Lügner und Betrüger», sagte Newton.
    «Holt eine Bibel», sagte ich, ungeachtet der Tatsache, dass mir die Bibel jetzt nicht mehr viel bedeutete. «Lasst mich schwören.
    Es ist sein Dolch.»
    «Hütet Euch, Sir», sagte Newton ernst zu mir. «Denn das hieße, Major Mornay vor seinen Offiziersbrüdern ins Gesicht zu sagen, er sei ein Lügner, wofür er als Gentleman gewiss Satisfaktion
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    fordern würde, um die Wahrheit seiner Worte mit der Waffe zu beweisen.»
    «Ich sage es aber. Mit allem Nachdruck. Major Mornay ist ein Lügner. Ich sah ihn den Dolch verlieren, wie Ihr es beschrieben habt.»
    Mornay erhob sich von seinem Stuhl und sein Mund klappte auf und zu wie ein Kormoranschnabel.
    «Wäre ich nicht durch meine Verletzung behindert, würde ich Euch ohne Zögern fordern, Mister Ellis.»
    «Vielleicht», sagte Newton hilfsbereit, «könnte Mister Ellis ja auf das Recht der Waffenwahl verzichten. Ich glaube, der Major ist Rechtshänder. In diesem Fall könnte er Euch bedenkenlos fordern, wenn ihm garantiert würde, dass Ihr Pistolen wählt.»
    «Dann sei es ihm garantiert», sagte ich. «Wenn er Satisfaktion will, hat er mein Wort darauf, dass ich Pistolen wählen werde.»
    Es herrschte Schweigen und aller Augen waren auf den Major gerichtet, welcher mehrmals hörbar schluckte, ehe er schließlich mit käseweißem Gesicht und der Feurigkeit eines zahnlosen Greises seine Forderung stammelte.
    «Wir nehmen die Forderung an», sagte Newton. «Ich werde als Mister Ellis' Sekundant fungieren und erwarte Eure Instruktionen.» Er verbeugte sich förmlich. Ich tat es ihm nach und wir ließen die Offiziere bestürzt zurück.
    Auf dem Rückweg zur Münze fühlte ich mich zuerst wie ein betäubter Aal, nahm dann aber meine Kräfte zusammen, um Newton zur Rede zu stellen, weil es mich mächtig erboste, von ihm herummanövriert zu werden wie eine Segeljolle. Sobald wir allein waren, verwahrte ich mich gegen sein Verhalten.
    «Also, wahrhaftig», sagte ich. «Ich denke doch, ein Mann sollte sich seine Händel selbst suchen und seine Kontrahenten selbst fordern dürfen.»
    «Er hat Euch gefordert», berichtigte mich Newton.
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    «Nur weil Ihr ihn in die Enge getrieben habt.»
    «Wenn ich die Sache Euch überlassen hätte, mein Freund, wäre sie nie so hübsch zur entscheidenden Zuspitzung gelangt.»
    «Hübsch nennt Ihr das? Es ist noch kein Jahr her, dass mich ein Duell beinahe die Freiheit gekostet hätte. Oder habt Ihr vergessen, wie ich in Euren Dienst gekommen bin, Doktor? Und wenn ich ihn töte? Was dann? Wenn er mich tötet?
    Angenommen, er ist im Schießen besser als im

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