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NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Meckel
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übersetzen. Letztlich ging es ja auch um nichts anderes als die berechnete Verbindung zwischen zwei Dingen – dem «user» und dem «item». 11 So einfach war menschliches Denken und Entscheiden: der Mensch speiste seine Meinungen zu verschiedensten «items» in das System ein und erhielt aus dem System Empfehlungen für neue «items».
    Nun ja, das ist jetzt vielleicht etwas sehr vereinfacht, aber im Grunde ging es tatsächlich um nicht mehr. Ich beschreibe das auch bewusst so klar, denn diese simple Annahme war natürlich prägend für unsere Einschätzung dessen, was wir da taten. Wir erleichterten Entscheidungen. Wozu sollteman seine Zeit damit verschwenden, endlose Regale in Buchhandlungen zu durchforsten, wenn man doch mit wenigen Eingaben in den Computer immer eine gute Empfehlung bekommen konnte? Vor allem aber waren wir wild darauf aus, immer genau das zu kennen und auszuprobieren, was andere Menschen ebenfalls mochten. Ein paar Freunde kann man noch fragen, Hunderttausende andere kaum mehr. Das haben die Algorithmen für uns getan. Und so wussten wir bald immer, was Menschen, wie man selbst einer war, gerne mochten, taten, wünschten oder zu kaufen und unternehmen beabsichtigten, weil sie sich in jüngster Vergangenheit schon ähnlich verhalten hatten.
    All das hat das Leben sehr viel leichter gemacht. Schnell und simpel. Aber etwas anderes ist dadurch immer seltener geworden. Die Momente von Erfahrung, in denen nichts Gewusstes, nichts Erlebtes, keine Empfehlung und keine gezielte Suche uns zu etwas geführt hat, sondern etwas einfach auf uns getroffen ist. Durch Zufall. Er hat damals eine große Rolle in unserem Leben gespielt. Oft als Ärgernis der mangelnden Berechenbarkeit und Vorhersagbarkeit. Wir wollten schon immer gern Klarheit darüber haben, was ist, was kommt und wer dafür die Verantwortung trägt.
    Gerade der Zufall aber brachte etwas ins damalige Leben, das zu den besonderen Erfahrungen gehörte – die Überraschung. Eine Begegnung, ein Ort, der bislang unbekannt war, eine Information, die eigentlich nicht für uns bestimmt war oder üblicherweise durch das Raster unserer Wahrnehmung gefallen wäre. Daran erinnere ich mich auch. Es ist eine schöne, aber zugleich traurige Erinnerung. Und wenn ich die Möglichkeit hätte, etwas Einziges zu vergessen, vielleicht würde ich dann dieses wählen. So wie ich früher die Festplatte meines Computers formatiert und damit vollständiggelöscht habe, so würde ich meine Erinnerung an das Vergessen löschen und an das, was daraus entstehen kann.
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[Z UFALL --.. ..- ..-. .- .-.. .-..] Durch den Zufall kam das Neue in die Welt. Die Überraschung, die einen Unterschied zum Erwartbaren machte. Und weil wir das Erwartbare eben erwarteten und daher ja schon implizit kannten, gebar der Zufall die Momente, in denen alles anders kam. Sie haben uns oft angestrengt, diese Momente. Aber meistens waren sie mit dem Glück verbunden, das entsteht, wenn einen etwas ereilt, das so gar nicht vorhersehbar war. Dann war es, mochte es noch so klein und unbedeutend sein, doch etwas ganz Besonderes und konnte uns in den Zustand versetzen, den wir damals Glück nannten. Oft haben solche Zufallsmomente dann Veränderungen angestoßen, die viel weitreichender waren, als wir dies von dem einzelnen Moment hätten erahnen können. Es gab keine Kausalitäten und keine Maßstäbe, die Ereignis und Folgewirkung in verlässliche Beziehung setzen konnten. Es gab plötzlich einen Veränderungsschub, der durch ein noch so kleines Momentum ausgelöst sein konnte. Genau wie es im Zuge der Evolution des Menschen als Spezies immer wieder Veränderungsschübe durch Mutationen und Rekombinationen gegeben hat, die auch dazu angetan waren, seine Anpassung an veränderte Lebens-und Umweltbedingungen zu ermöglichen.
    Und genau aus diesen beiden Gründen ist es nun damit vorbei. Unsere letzte große Evolutionsstufe wird vermutlich die des Übergangs aus der Körperzeit in die Systemzeit gewesen sein. Inzwischen benötigen wir keine Anpassung mehr. Wo alles immer ist, kann nichts hinzukommen. Wo alle Verbindungenund Korrelationen ständig vorgehalten werden oder aktiviert sind, können sich keine neuen ergeben. Wir sind angekommen bei der universalen ubiquitären Rekombination, die alle Mutationen a priori ein-und damit weitere ausschließt. Wir sind alles, was jemals möglich war und jemals möglich sein wird.
    Ich bin sicher, dass dies das Optimum ist. Ein Zustand, den wir uns

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