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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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mir gefallen, doch hoffe sie, ich würde ihr Betragen in bezug auf Frauen nicht übelnehmen. Sie hätten nach ihrer Meinung eine «mittelalterliche» Auffassung von der Frau. Ein Mann habe das Recht, eine Frau öffentlich zu verprügeln. «Es ist ein schrecklicher Anblick», sagte sie entsetzt. «Niemand wagt einzuschreiten. Selbst die Schutzleute blicken in eine andere Richtung.»
    Ich wußte, daß man dies nicht allzu wörtlich zu nehmen brauchte. Das sind so Ansichten einer Frau. Was die amerikanischen Frauen betraf, so konnten sie ruhig hier im Lande bleiben, so schön sie waren. Für mich hatten sie nie die geringste Anziehungskraft gehabt.
    «Wir müssen wieder hin», sagte sie, wobei sie vergaß, daß «wir» nicht zusammen gefahren waren. «Es ist das einzige Leben für dich, Val. Dort wirst du schreiben, das kann ich dir versprechen. Selbst wenn wir hungern müssen. Geld scheint dort überhaupt niemand zu haben. Aber sie kommen durch — wie, kann ich nicht sagen. Wenn man dort pleite ist, ist es jedenfalls nicht dasselbe wie hier. Hier ist das häßlich. Dort ist es . . . nun, romantisch, wie du sagen würdest. Aber wir werden dort nicht mit leeren Taschen herumlaufen, wenn wir wieder hinfahren. Wir müssen jetzt tüchtig arbeiten und unser Geld zusammenhalten, so daß wir wenigstens zwei oder drei Jahre davon leben können, wenn wir dort sind.»
    Es hörte sich gut an, daß sie so ernst ihre Gedanken auf die «Arbeit» richtete. Am nächsten Tag, einem Sonntag, gingen wir spazieren und redeten unablässig. Nur über Zukunftspläne. Um Geld zu sparen, wollte sie sich nach einer Wohnung umsehen, in der wir kochen könnten. Nach etwas Wohnlicherem, als es das Wohn-Schlafzimmer war, das ich gemietet hatte. «Eine Wohnung, wo du arbeiten kannst», wie sie sich ausdrückte. Ich kannte diese Töne. Na, laß sie tun, was sie will, dachte ich. Sie tut es ja auf jeden Fall.
    «Die Arbeit, die du jetzt hast, muß aber schrecklich langweilig sein», sagte sie dann.
    «So schlimm ist sie gerade nicht.» Ich wußte, was ihre nächste Bemerkung sein würde.
    «Du wirst sie doch hoffentlich nicht für immer beibehalten wollen?»
    «Nein, Liebste. Bald fange ich wieder an zu schreiben.»
    «Drüben», sagte sie, «werden die Leute besser fertig als hier. Und mit viel weniger Geld. Wenn einer Maler ist, so malt er, wenn er Schriftsteller ist, dann schreibt er. Niemand schiebt dort etwas auf, bis der Horizont rosig ist.» Sie hielt ein, weil sie zweifellos dachte, ich würde eine skeptische Bemerkung machen. «Ich weiß, Val», fuhr sie dann mit veränderter Stimme fort, «ich weiß, es ist dir verhaßt, wenn wir so leben, daß wir mit unserem Geld auskommen. Ich habe das selbst nicht gern. Aber du kannst nicht arbeiten und schreiben, das ist klar. Offen gesagt, es ist kein Opfer, was ich tue. Ich lebe nur für das eine Ziel, daß du tun kannst, was du tun willst. Du sollst mir vertrauen und mich vertrauensvoll das tun lassen, was das Beste für dich ist. Sobald wir nach Europa fahren, wird alles anders werden. Du wirst dort aufblühen. Hier führen wir ein so armseliges und schäbiges Leben. Kommt es dir zum Bewußtsein, Val, daß du hier kaum einen Freund mehr hast, an dessen Gesellschaft dir gelegen ist? Sagt dir das nichts? Dort brauchst du dich nur in ein Cafe zu setzen, dann hast du sofort einen Haufen Freunde. Sie sprechen übrigens über die Dinge, über die du dich so gern unterhältst. Der einzige Freund, mit dem du hier über so etwas sprechen kannst, ist Ulric. Für die übrigen bist du nur ein Clown. Stimmt das oder nicht?»
    Ich mußte zugeben, daß es nur zu wahr war. Als wir so herzlich miteinander sprachen, hatte ich das Gefühl, sie wüßte vielleicht besser als ich, was gut für mich war und was nicht. Nie war ich so entschlossen, eine glückliche Lösung für unsere Probleme zu finden, besonders für das Problem, gemeinsam zu arbeiten und gemeinsam zu planen.
    Sie hatte, als sie heimkehrte, nur ein paar Cents in der Tasche. Eben wegen dieses Geldmangels hatte sie, wie sie mir erklärte, in der letzten Minute ein anderes Schiff nehmen müssen. Es steckte natürlich mehr dahinter, und sie gab auch noch weitere knifflige Erklärungen, aber sie sprach so schnell und so zusammenhanglos, daß ich ihren Worten nicht folgen konnte. Besonders überraschte es mich, daß sie im Handumdrehen für uns eine neue Wohnung gefunden hatte, und zwar in einer der schönsten Straßen Brooklyns. Sie hatte nicht nur eine

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