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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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ausgezeichnete Wahl getroffen, sondern auch eine Monatsmiete im voraus bezahlt, mir leihweise eine Schreibmaschine besorgt, Lebensmittelvorräte gekauft und weiß Gott was nicht noch alles. Ich hätte gern erfahren, woher sie das Geld hatte.
    «Frag mich nicht», sagte sie. «Ich werde schon noch mehr herbringen, wenn wir es brauchen.»
    Ich dachte an meine kläglichen Bemühungen, ein paar elende Dollar zusammenzukratzen. Dabei hatte ich nicht einmal meine Schulden an Tony abbezahlt.
    «Weißt du», sagte sie, «alle sind so glücklich, daß ich wieder hier bin, und können mir nichts abschlagen.»
    «Alle.» Es hatte wohl die Bedeutung von «jemand».
    Ich wußte, was als nächstes kommen würde. «Gib doch diese scheußliche Arbeit auf!»
    Tony ahnte es schon. «Ich weiß, du wirst nicht mehr lange bei uns sein», sagte er eines Tages. «In gewisser Hinsicht beneide ich dich. Sieh nur zu, wenn du gehst, daß wir uns nicht ganz aus den Augen verlieren. Du wirst mir fehlen, du Teufelsbraten.»
    Ich wollte ihm sagen, wie dankbar ich für alles wäre, was er an mir getan hatte, aber davon wollte er nichts hören. «Du würdest dasselbe tun», sagte er, «wenn du an meiner Stelle wärest. Aber im Ernst, wirst du dich jetzt hinsetzen und schreiben? Hoffentlich. Leute, die Gruben ausheben, können wir jeden Tag haben, aber keinen Schriftsteller.»
    Es verging kaum eine Woche, als ich mich von Tony verabschiedete. Ich sollte ihn nie wiedersehen. Ich bezahlte ihm- schließlich meine Schulden ab, aber tropfenweise. Andere, die ich angepumpt hatte, bekamen ihre fünfzehn oder zwanzig Dollar erst nach Jahren zurück. Ein paar hatten bereits das Zeitliche gesegnet, bevor sie an die Reihe kamen. So ist das Leben — «die Hohe Schule des Lebens», wie Gorki sagte.
    Die neue Wohnung war herrlich. Die rückwärtige Hälfte des zweiten Stocks in einem alten Backsteinhaus. Jede Bequemlichkeit, einschließlich weicher Teppiche, dicker Wolldecken, Kühlschrank, Bad und Brause, großer Geschirrkammer, elektrischer Öfen und so weiter. Die Wirtin war in uns verschossen. Eine Jüdin mit liberalen Ideen, leidenschaftliche Kunstliebhaberin. Einen Schriftsteller und eine Schauspielerin - Mona hatte das als ihren Beruf angegeben - als Mieter zu haben, betrachtete sie als doppelten Triumph. Bis zum plötzlichen Tode ihres Mannes war sie Lehrerin gewesen - mit Neigung zur Schriftstellerei. Die Versicherungssumme, die sie beim Tode ihres Mannes ausbezahlt erhielt, setzte sie in den Stand, ihren Beruf aufzugeben. Sie hoffte, bald mit den ersten Erzeugnissen ihrer Feder aufwarten zu können. Vielleicht könnte ich ihr einige wertvolle Winke geben, meinte sie - wenn ich Zeit hätte, natürlich.
    Von jeder Seite gesehen war die Lage in Ordnung. Aber wie lange würde dieses Glück dauern? Diese Frage beschäftigte mich dauernd. Mehr als alles andere tat es mir gut, Mona jeden Nachmittag mit gefüllter Einkaufstasche ankommen zu sehen. Es tat gut, wenn sie sich umzog, eine Schürze vorband und zu kochen anfing. Das Bild einer glücklich verheirateten Frau. Beim Kochen legte sie immer eine neue Schallplatte auf, immer etwas Exotisches, was ich mir nie selbst hätte kaufen können. Nach dem Essen gab es einen ausgezeichneten Likör mit Kaffee. Dann und wann ein Kinobesuch, um den Tag abzurunden. Oder wir machten einen Bummel durch das aristokratische Viertel, in dem wir wohnten. Ein herrlicher Spätsommer in jeder Bedeutung des Wortes.
    Als sie mir daher in einem Anfall von Vertrauensseligkeit eines Tages erzählte, daß sie einen reichen Mummelgreis kennengelernt habe, der eine Neigung zu ihr gefaßt habe und von ihrer schriftstellerischen Begabung überzeugt sei, hörte ich geduldig und ohne das geringste Anzeichen von Verlegenheit oder Gereiztheit zu.
    Der Grund dieser Vertrauensseligkeit wurde bald klar. Wenn sie diesem Verehrer - wunderbar, wie sie die Substantive wechselte! -beweisen könnte, daß sie imstande wäre, ein Buch zu schreiben, einen Roman zum Beispiel, würde er ihr einen Verlag besorgen. Aber noch mehr — er bot ihr an, ihr, solange sie schrieb, ein nettes wöchentliches Stipendium zu zahlen. Er erwartete natürlich, jede Woche ein paar Seiten zu sehen. Einwandfrei, was?
    «Und das ist noch nicht alles, Val. Aber das übrige will ich dir später erzählen, wenn du mit dem Buch begonnen hast. Es ist schwer, dir nicht alles zu sagen, glaube mir, aber du mußt Vertrauen zu mir haben. Na, was sagst du dazu?»
    Ich war so überrascht,

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