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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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der Witwe «den Hof machte». Jede Woche sprach ein netter Mann dort vor, ein Jude, Sid Essen nicht unähnlich, um einen Dollar oder einen Dollar und fünfunddreißig Cents für Möbel einzukassieren, die sie auf Abzahlung gekauft hatte. Wenn sie das Geld nicht hatte, sagte er: «Schon recht, also dann nächste Woche.» Die Armut, verbunden mit Sauberkeitsfimmel, die Sinnlosigkeit jenes Lebens bedrückten mich mehr als ein Leben in der Gosse. (Hier machte ich meinen ersten Versuch zu schreiben. Mit einem Bleistiftstummel, ich weiß es noch genau. Ich schrieb nur ein Dutzend Zeilen - genug, um mich davon zu überzeugen, daß ich nicht das geringste Talent hatte.) Jeden Tag, wenn ich zur Arbeit ging und von ihr kam, fuhr ich mit der Hochbahn an denselben Hochhäusern vorbei, und immer erfaßte mich diese tödliche, finstere Stimmung. Ich wollte mir das Leben nehmen, hatte aber nicht den Mut dazu. Ich konnte auch nicht von ihr loskommen. Ich hatte es versucht, aber ohne Erfolg. Je mehr ich mich bemühte, mich von ihr zu befreien, desto fester wurden die Bande. Selbst Jahre später, als ich längst von ihr frei war, packte es mich jedesmal wieder, wenn ich durch diese Kurve fuhr. «Wie erklärst du dir das?» fragte ich. «Fast war es so, als hätte ich einen Teil von mir in den Wänden jenes Hauses gelassen. Ganz wurde ich nie von ihr frei.»
    Sie saß auf dem Boden, gegen ein Tischbein gelehnt. Sie sah kühl und entspannt aus. Ich fühlte, daß sie in der Stimmung war, mir zuzuhören. Dann und wann stellte sie mir eine Frage - über die Witwe. Sie fragte immer etwas, woran Frauen sonst ungern rühren. Ich brauchte mich nur ein bißchen vorzulehnen, dann konnte ich die Hand auf ihre Fud legen.
    Es war einer jener seltenen Abende, wo alles zusammenwirkte, um Harmonie und gegenseitiges Verstehen herbeizuführen, wo man leicht und natürlich, selbst mit einer Ehefrau, über intime Dinge redet. Man hat keine Eile, irgend etwas zu erreichen, nicht einmal einen guten Fick, obgleich der Gedanke daran ständig über der Unterhaltung schwebte.
    Ich blickte nunmehr auf die Fahrt in der Lexington-Avenue-Hochbahn zurück, als hätte ich sie in einer anderen Inkarnation unternommen. Sie erschien nicht nur fern, sondern undenkbar. Nie wieder würde mich diese besondere Art Düsterkeit und Verzweiflung überfallen, das wußte ich bestimmt.
    «Manchmal denke ich, es war alles so, weil ich so unschuldig war. Ich konnte nicht glauben, daß ich auf eine solche Weise in eine Falle gelockt werden sollte. Ich glaube, ich wäre besser dran gewesen und würde weniger gelitten haben, wenn ich sie geheiratet hätte, wie ich wollte. Wer weiß? Wir hätten vielleicht ein paar Jahre glücklich sein können.»
    «Du behauptest immer, Val, nur das Mitleid hätte dich festgehalten, aber ich denke, es war Liebe. Ich glaube, du hast sie wirklich geliebt. Schließlich habt ihr euch nie gestritten.»
    «Mir ihr konnte ich nicht streiten. Darum war ich bei dieser Verbindung im Nachteil. Ich weiß noch, wie mir zumute war, wenn ich in dem Fenster eines Fotografen ihr Bild anschaute, was ich jeden Tag tat. In den Augen lag ein solcher Kummer, daß ich innerlich zusammenzuckte. Tag für Tag schaute ich ihr in die Augen, um diesen traurigen Ausdruck zu beobachten und seine Ursache zu ergründen. Und als wir uns dann einige Zeit kannten, sah ich, wie dieser Ausdruck wieder in ihre Augen kam, gewöhnlich, wenn ich sie in dummer, gedankenloser Weise verletzt hatte. Dieser Blick klagte mich mehr an, wirkte vernichtender als irgendwelche Worte ...»
    Dann sprach eine Weile keiner von uns. Der warme, würzige Wind bewegte die Vorhänge. Drunten spielte der Phonograph: «Ich werde dir aufopfern, o Israel...» Während ich zuhörte, streckte ich die Hand aus und ließ die Finger über ihre Fud gleiten.
    «Ich wollte das alles eigentlich gar nicht erwähnen», fing ich wieder an. «Ich wollte von Sid Essen sprechen. Ich habe ihn gestern in seinem Laden besucht. Der verlassenste, trostloseste Ort, den du dir denken kannst. Und weitläufig dazu. Dort sitzt er den ganzen Tag und liest oder spielt, wenn zufällig ein Bekannter vorbeikommt, eine Partie Schach. Er wollte mich mit Geschenken beladen — Hemden, Socken, Schals, mit allem, was ich wünschte. Ich konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten. Wie du schon sagtest, er ist ein einsamer Mensch. Es wird Arbeit kosten, sich aus seinen Klauen herauszuhalten... Oh, beinahe hätte ich vergessen, was ich dir sagen wollte. Was

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