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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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was ich sagen sollte. Meinte er es ehrlich oder. . .? Ich zögerte. Schlimmstenfalls gibt es eine schlaflose Nacht, dachte ich mir.
    ‹Sie wollen doch nicht schon morgen nach Paris fahren ?› sagte er. ‹So leicht würde ich an Ihrer Stelle den Mut nicht verlierend Eine doppelzüngige Bemerkung, auf die ich nicht einging. ‹Wo ist das Bett?› fragte ich. ‹Darüber können wir ein anderes Mal sprechen›
    Ich hielt ein Auge auf für den Fall, daß er mich noch einmal belästigen sollte. Aber er ließ es bleiben. Offenbar hatte er mich dick bekommen, oder vielleicht dachte er, mit Geduld werde er doch noch sein Ziel erreichen. Jedenfalls fand ich die ganze Nacht keinen Schlaf. Ich wälzte mich bis zum Tagesanbruch hin und her, stand dann sehr leise auf und zog mich an. Als ich in die Hose schlüpfte, erspähte ich ein Exemplar des Ulysses . Ich setzte mich ans Fenster und las Molly Blooms Selbstgespräch. Ich geriet beinahe in Versuchung, das Buch mitzunehmen. Dann kam mir aber eine bessere Idee. Ich schlich auf den Flur, wo der Kleiderschrank stand, machte ihn leise auf und durchsuchte die Taschen, auch die Brieftasche. Aber ich konnte nur sieben Dollar und etwas Kleingeld finden. Ich nahm das Geld und machte mich aus dem Staube ...»
    «Und du hast ihn nie wiedergesehen?»
    «Nein, ich bin nie mehr zu dem Restaurant gegangen.»
    «Angenommen, Val, er hätte dir das Reisegeld angeboten, wenn ...»
    «Darauf läßt sich schwer eine Antwort geben. Ich habe selbst schon daran gedacht. Ich weiß, ich könnte das nie über mich ergehen lassen, nicht einmal deinetwegen . Eine Frau hat es unter solchen Umständen leichter.»
    Sie fing an zu lachen. Sie lachte und lachte.
    «Was ist daran so komisch?» fragte ich.
    «Du!» rief sie. «Echt männlich.»
    «Wieso? Möchtest du lieber, ich hätte nachgegeben?»
    «Das sage ich nicht. Ich sage nur, du hast typisch männlich reagiert.»
    Plötzlich dachte ich an Stasia und ihre Exhibitionslust. «Du hast mir noch nicht gesagt, ob du das Schiff Stasias wegen versäumt hast.»
    «Wer hat dir denn das in den Kopf gesetzt? Ich habe dir schon gesagt, wie das zugegangen ist, hast du das vergessen?»
    «Ja, das stimmt, aber ich habe damals nicht recht zugehört. Jedenfalls ist es sonderbar, daß du die ganze Zeit über keine Zeile von ihr erhalten hast. Wo kann sie denn sein?»
    «In Afrika vielleicht.»
    «In Afrika?»
    «Ja, die letzte Nachricht von ihr habe ich aus Algier erhalten.»
    «Hmm.»
    «Ja, Val. Um wieder zu dir kommen zu können, mußte ich Roland, dem Mann, der mich nach Wien mitnahm, versprechen, daß ich mit ihm zusammen heimfahren würde. Ich machte aber als Bedingung aus, daß er Stasia telegrafisch das Rückreisegeld schicken sollte. Das hat er aber nicht getan. Ich entdeckte das erst im letzten Augenblick. Ich hatte damals nicht das Geld, um dir wegen der Verzögerung zu kabeln. Jedenfalls bin ich nicht mit Roland gefahren. Ich habe ihn nach Paris zurückgeschickt und ließ ihn schwören, daß er Stasia suchen und sie sicher heimschicken würde. Das ist die ganze Geschichte.»
    «Er hat sein Versprechen natürlich nicht gehalten?»
    «Nein, er ist ein schwacher, verwöhnter Bursche, der nur mit sich selbst beschäftigt ist. Er hat Stasia mit ihrem österreichischen Freund in der Wüste sitzenlassen, als das Vorwärtskommen zu schwierig wurde. Er hat sie ohne einen Pfennig im Stich gelassen. Ich hätte ihn ermorden können, als ich das entdeckte.»
    «Mehr weißt du also nicht von ihr?»
    «Nein, vielleicht ist sie bereits tot.»
    Ich stand auf, um mir eine Zigarette zu holen. Das Päckchen lag auf dem offenen Buch, das ich am Nachmittag gelesen hatte. «Hör dir das mal an», sagte ich und las ihr die Stelle vor, die ich angestrichen hatte: «Der Zweck der Literatur ist es, dem Menschen zur Selbsterkenntnis zu verhelfen, seinen Glauben an sich selbst zu stärken und ihn in seinem Streben nach der Wahrheit zu unterstützen ...»
    «Leg dich hin. Ich möchte dich reden, nicht lesen hören.»
    «Ein Hurra für die Karamasows!»
    «Hör auf damit, Val. Laß uns weitersprechen. Bitte.»
    «Also gut. Erzähle mir was von Wien. Hast du deinen Onkel besucht, als du dort warst? Du hast mir bis jetzt so gut wie gar nichts von Wien berichtet. Ich weiß, Wien ist ein kitzliges Thema ... Roland und so weiter. Doch ...»
    Sie sagte, sie seien nicht lange in Wien geblieben. Ihre Verwandten hätte sie übrigens nicht besuchen können, ohne Geld mitzubringen. Roland sei aber

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