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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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meinst du, was er gerade las?»
    «Dostojewski.»
    «Nein, rate noch mal.»
    «Knut Hamsun.»
    «Nein. Der Hofdame Murasaki Erzählungen vom Prinzen Genji . Ich kann nicht darüber wegkommen. Anscheinend liest er alles, die Russen auf russisch, die Deutschen auf deutsch. Er kann natürlich auch Polnisch lesen und vor allem Jiddisch.»
    «Pap liest Proust.»
    «Tatsächlich? Weißt du, was er gern täte - Sid Essen, meine ich. Er möchte mir das Autofahren beibringen. Er hat einen großen Acht-Zylinder-Buick, den er uns leihen möchte, sobald ich fahren gelernt habe. Er sagt, er kann mir das in drei Lektionen beibringen.»
    «Aber warum willst du denn fahren lernen?»
    «Der Witz ist, ich will es gar nicht. Aber er meint, du würdest dich freuen, wenn ich dich ab und zu mal ausführe.»
    «Ach, Val, laß das lieber bleiben. Dir liegt das Autofahren nicht.»
    «Das habe ich ihm auch gesagt. Es wäre etwas anderes, wenn er mir ein Fahrrad angeboten hätte. Mir würde es Spaß machen, mal wieder radzufahren.»
    Sie erwiderte nichts.
    «Begeistert scheinst du nicht davon zu sein», sagte ich.
    «Ich kenne dich, Val. Wenn du ein Fahrrad hast, arbeitest du nicht mehr.»
    «Da hast du vielleicht recht. Jedenfalls ist es eine angenehme Vorstellung. Ich bin übrigens zu alt, um noch radzufahren.»
    «Zu alt?» Sie lachte laut. «DM, ZU alt? Ich kann dich noch über die Aschenbahn stürmen sehen, wenn du achtzig bist. Du bist ein zweiter Bernard Shaw. Du wirst nie für etwas zu alt sein.»
    «Doch - wenn ich noch mehr Romane schreiben muß. Das Schreiben nimmt mir Kraft, merkst du das ? Sag das Pap gelegentlich. Meint er vielleicht, du arbeitest im Achtstundentag?»
    «Über solche Sachen denkt er nicht nach, Val.»
    «Vielleicht nicht, aber er muß doch über dich staunen, es ist in der Tat selten, daß eine schöne Frau auch schreibt.»
    Sie lachte. «Pap ist kein Dummkopf. Er weiß, daß ich keine geborene Schriftstellerin bin. Er will mir nur beweisen, daß ich zu Ende führen kann, was ich begonnen habe. Er möchte mir Disziplin beibringen.»
    «Sonderbar», sagte ich.
    «Nicht so sehr. Er weiß, daß ich mich verzettele, daß ich in alle Richtungen zugleich strebe.»
    «Aber er kennt dich kaum. Er muß verdammt hellsichtig sein.»
    «Er liebt mich, erklärt das nicht alles? Er wagt natürlich nicht, es einzugestehen. Er glaubt, er hat keine Anziehungskraft für eine Frau.»
    «Ist er wirklich so häßlich?»
    Sie lächelte. «Du glaubst mir wohl nicht? Nun, niemand wird ihn schön nennen. Er sieht so aus, wie er ist - wie ein Geschäftsmann. Er schämt sich deswegen. Er ist ein unglücklicher Mensch. Und diese Traurigkeit vermehrt seine Reize natürlich nicht.»
    «Du sprichst so rührend von ihm, daß er einem fast leid tun kann, das arme Schwein.»
    «Sprich nicht so von ihm, Val. Er verdient es nicht.»
    Eine Weile Schweigen.
    «Weißt du noch, wie du mir, als wir bei der Arztfamilie in Bronx wohnten, nahelegtest, einen Mittagsschlaf zu halten, damit ich dich um zwei Uhr nachts vor dem Tanzlokal abholen konnte? Du dachtest, diesen kleinen Gefallen könnte ich dir wohl tun, damit ich frisch wie ein tauiges Blümchen aufwachen und morgens um acht an die Arbeit gehen konnte! Weißt du das noch? Und ich tat das wirklich — mehrmals -, obwohl ich fast dabei umgekommen wäre. Du dachtest, ein Mann könnte ein solches Opfer wohl auf sich nehmen, wenn er eine Frau wirklich liebte, nicht wahr?»
    «Ich war damals noch sehr jung. Übrigens wollte ich nicht, daß du diese Arbeit beibehieltest. Ich hoffte vielleicht, du würdest sie aufgeben, wenn ich dich bis zum Umfallen müde machte.»
    «Das ist dir gut gelungen, und ich kann dir nie genug dafür danken. Wäre ich mir selbst überlassen gewesen, würde ich wahrscheinlieh heute noch dort sein und Leute einstellen und rausschmeißen.»
    Pause.
    «Und dann, gerade als alles so schön glatt ging, setzte ich mich in die Brennesseln. Du hast mir ein hartes Leben bereitet - oder es könnte auch umgekehrt sein ... ich dir.»
    «Lassen wir diese unerquicklichen Dinge, Val, bitte.»
    «Okay. Ich weiß nicht, warum ich davon angefangen habe. Vergiß es.»
    «Du weißt, Val, daß bei dir nie alles glatt geht. Wenn ich's nicht bin, die dich elend macht, ist's eine andere. Du ziehst das Unheil an den Haaren herbei. Nun sei nicht beleidigt! Vielleicht ist dir nicht wohl, wenn du nicht leiden kannst. Aber der Kummer wird dich nicht umbringen, soviel kann ich dir sagen. Was auch geschieht, du

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