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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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ektoplasmatischer.»
    Mona kicherte. Mrs. Essen zog sich diskret zurück. Nur der junge Essen blieb. Er machte hinter Mr. Elfenbeins Rücken Zeichen, als drehe er eine an seiner Schläfe befestigte Telefonkurbel.
    «Wenn Sie ein neues Opus beginnen, in welcher Sprache beten Sie dann zuerst?» fragte mich Mr. Elfenbein.
    «In der Sprache unserer Väter», antwortete ich sogleich. «Abraham, Isaak, Ezechiel, Nehemia ...»
    «Und David und Salomon und Ruth und Esther», stimmte er ein.
    Essens Sohn füllte jetzt wieder Elfenbeins Glas, und wieder trank dieser es auf einen Schluck aus.
    «Der wird mal ein feiner junger Gangster werden», sagte Mr. Elfenbein und leckte sich die Lippen ab. «Schon jetzt kann er nichts von nichts unterscheiden. Ein malameä sollte er werden — wenn er seine fünf Sinne beieinander hätte. Erinnern Sie sich: Angeklagt und Bestraft? ...»
    «Sie meinen Schuld und Sühne?» sagte der junge Essen.
    «Im Russischen heißt es Das Verbrechen und seine Strafe . Nun setz dich da hinten hin und schneide keine Gesichter hinter meinem Rücken. Ich weiß, daß ich meschugge bin, doch dieser Herr weiß das nicht. Er soll es selbst herausfinden. Nicht wahr, mein Herr?» Er machte zum Spaß eine Verbeugung.
    «Wenn ein Jude sich von seiner Religion abwendet», fuhr er fort, wobei er zweifellos an Mrs. Essen dachte, «so ist es, als wenn Fett sich in Wasser verwandelt. Lieber Christ werden als so ein ...» Er sprach nicht weiter, denn er erinnerte sich wohl, daß er hier zu Gast war. «Ein Christ ist ein Jude mit einem Kruzifix in der Hand. Er kann nicht vergessen, daß wir ihn getötet haben - Jesus, meine ich -, Jesus, der ein Jude war wie jeder andere, nur fanatischer. Um Tolstoi zu lesen, braucht man kein Christ zu sein, ein Jude versteht ihn ebensogut. Das Gute an Tolstoi war, daß er schließlich den Mut fand, seiner Frau davonzulaufen — und sein Geld zu verschenken. Der Irre ist gesegnet, er sorgt sich nicht um Geld. Die Christen tun nur so, als wären sie Irre, sie nehmen nicht nur den Rosenkranz und das Gebetbuch zur Hand, sondern schließen auch Lebensversicherungen ab. Ein Jude geht nicht mit den Psalmen umher, er kennt sie auswendig. Selbst wenn er Schuhbänder verkauft, summt er einen Vers vor sich hin. Wenn der Christ ein geistliches Lied singt, klingt es, als ob er in den Krieg marschiere. Vorwärts, christliche Soldaten! Wie geht es noch mal -? Als ob er in den Krieg zöge. Warum als ob? Sie führen immer Krieg - mit dem Säbel in einer Hand und dem Kruzifix in der anderen.»
    Mona stand jetzt auf, um näher bei uns zu sein. Mr. Elfenbein streckte die Hände vor, als wolle er mit ihr tanzen. Dann fragte er: «In welchem Stück haben Sie zuletzt gespielt?»
    «Im Grünen Kakadu» , erwiderte sie. (Um eine Antwort war sie nie verlegen.)
    «Und vorher?»
    «Im Bocksgesang, Liliom und der Heiligen Johanna.»
    «Halt!» Er hielt die Hand hoch. «Der Dybbuk paßt besser zu Ihrem Temperament. Er ist gynäkologischer. Wie hieß doch noch mal das Stück von Sudermann? Macht nichts. Ah ja . . . Magda . Sie sind eine Magda, keine Monna Vanna. Wie würde ich wohl im Gott der Rache aussehen? Bin ich ein Schildkraut oder ein Ben Ami? Geben Sie mir Sibirien zu spielen, nicht The Servant in the House.» Er tätschelte sie unter das Kinn. «Sie erinnern mich ein wenig an Elissa Landi. Ja, Sie haben auch vielleicht etwas von der Nazimowa. Wenn Sie voller wären, könnten Sie eine neue Modjeska sein. Hedda Gabler , das wäre was für Sie . Mein Lieblingsstück ist die Wildente . Danach der Playboy of the Western World . Aber nicht auf jiddisch, Gott behüte!»
    Das Theater war offenbar sein Steckenpferd. Er war früher Schauspieler gewesen, zuerst in Rummeldumwitza oder einem ähnlichen Nest, dann am Thalia-Theater in der Bowery. Dort lernte er Ben Ami kennen, und anderswo Blanche Yurka. Er hatte auch Vesta Tilly und David Warfield gekannt. Androklus und der Löwe war für ihn ein großes Stück, aber von den anderen Bühnenstücken Shaws hielt er nicht viel. Ben Jonson und Marlowe liebte er sehr, ebenso Hasenclever und Hofmannsthal.
    «Schöne Frauen werden selten gute Schauspielerinnen», fuhr er fort. «Sie sollten immer einen kleinen Fehler haben, eine längliche Nase zum Beispiel, oder sie könnten auch ein bißchen schielen. Das Beste ist eine ungewöhnliche Stimme. Die Stimme behält man immer. Pauline Lords Stimme zum Beispiel. Auch Sie haben eine gute Stimme», sagte er zu Mona. «Sie hat

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