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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Nasenflügel und machte eine Bewegung, als zöge er einen Faden heraus. Seine Mutter erklärte rasch, daß die Kinder auf Ethische Kultur umgesattelt hätten. Sie war erfreut, als ich ihr sagte, auch ich hätte früher die Versammlungen dieser Gesellschaft besucht.
    «Trinken wir noch was», schlug Reb vor, der offenbar dieses Gerede über Ethische Kultur, Baha'i, Neues Denken und ähnliches Zeug satt hatte.
    Wir tranken noch mehr von seinem dunkelroten Portwein. Er war gut, aber schwer.
    «Nach dem Essen», sagte er, «werden wir Ihnen was vorspielen.» Er meinte sich und seinen Sohn. (Das wird ja grauenhaft werden, dachte ich bei mir.) Ich fragte, ob sein Sohn sein Instrument schon gut beherrsche. «Er ist noch kein Mischa Elman, das steht fest. Gibt es bald was zu essen?» sagte er dann zu seiner Frau.
    Sie erhob sich majestätisch, strich sich das Haar aus der Stirn und schwebte zur Küche. Fast wie eine Schlafwandlerin.
    «Wir wollen uns zu Tisch setzen», sagte Reb, «ihr beide müßt ja ausgehungert sein.»
    Sie war tatsächlich eine gute Köchin, Frau Essen. Es war aber alles zu reichlich. Es hätten sich noch mal so viele Leute daran sättigen können. Der Wein war lausig. Juden verstehen selten, guten Wein zu wählen, bemerkte ich für mich. Zu dem Kaffee und dem Dessert gab es Kümmel und Benediktiner. Mona kam in bessere Stimmung, sie mochte Liköre gern. Frau Essen trank nur Wasser. Reb andererseits hatte dem Wein schon fleißig zugesprochen. Er war leicht angesäuselt. Die Worte gingen ihm schwer vom Munde, der Arm sank ihm schlaff hernieder, wenn er ihn hob. Es tat wohl, ihn so zu betrachten, er gab sich wenigstens so, wie er war. Seine Frau tat natürlich, als bemerkte sie seinen Zustand nicht. Der Sohn aber freute sich diebisch, es machte ihm offenbar Spaß, daß der Alte sich so danebenbenahm.
    Es herrschte eine sonderbare, fast unheimliche Stimmung. Mehrmals versuchte Mrs. Essen die Unterhaltung auf eine höhere Ebene zu heben. Sie brachte sogar Henry James aufs Tapet, weil sie offenbar dachte, an diesem Thema würden sich die Meinungen entzünden, aber auch dieser Versuch blieb erfolglos. Reb beherrschte die Szene. Er ließ jetzt Schimpfkanonaden los und nannte den Rabbi einen Tölpel. Von einer ruhigen, gemütlichen Unterhaltung wollte er nichts wissen. Er redete jetzt nur von Boxern und Ringern. Er drückte uns an die Wand, als er auf sein Idol, Benny Leonard, zu sprechen kam, und zog dann Ringer Lewis, den er verabscheute, stückweise die Haut ab.
    Um ihn noch mehr hochzutreiben, sagte ich: «Und was ist mit Redcap Wilson?» (Er hatte einst als Depeschenbote für mich gearbeitet. Ein Taubstummer, wenn ich mich recht erinnere.)
    Er tat ihn mit der Bemerkung ab: «Ein drittrangiger Nichtskönner -fauler Zauber.»
    «Wie Battling Nelson», sagte ich.
    Hier griff Mrs. Essen in das Scharmützel ein, indem sie den Vorschlag machte, uns in das Nebenzimmer, ins Wohnzimmer, zurückzuziehen.
    Da ließ Sid Essen die Faust schwer auf den Tisch fallen. «Warum aufstehen?» brüllte er. «Sitzen wir hier nicht gut genug? Du willst nur, daß wir von etwas anderem sprechen sollen, weiter nichts.» Er nahm die Kümmelflasche. «Hier, jeder noch einen Schluck. Ist gut, was?»
    Mrs. Essen und ihre Tochter erhoben sich, um den Tisch abzudecken. Es geschah schweigend und exakt, so wie meine Mutter und Schwester zu Werke gegangen wären. Sie ließen nur die Flaschen und Gläser auf dem Tisch stehen.
    Reb gab mir einen Stoß mit dem Ellbogen und sagte mit einer Stimme, die er für Flüstern hielt: «Sobald sie sieht, daß ich mich wohl fühle, überschüttet sie mich mit eiskaltem Wasser. So sind die Frauen.»
    «Komm her, Vater», sagte der Junge, «wir wollen die Fiedeln holen.»
    «Hol sie nur, wer hindert dich dran?» rief Reb. «Aber spiel nicht wieder falsch, das macht mich verrückt.»
    Wir siedelten in das Wohnzimmer um, wo wir es uns auf Sofas und Sesseln bequem machten. Es war mir gleich, was oder wie sie spielten. Von den billigen Weinen und den Likören war ich selbst etwas angeheitert.
    Während die Musiker ihre Instrumente stimmten, wurde Obstkuchen herumgereicht, dann Walnüsse und geschälte Hickorynüsse.
    Sie begannen mit einem Duett von Haydn. Gleich im Anfang verloren sie den Kontakt. Aber sie spielten weiter, da sie wohl hofften, wieder in Einklang zu kommen. Es war schauderhaft, wie sie draufloshackten und drauflossägten. Als sie mittendrin waren, verlor der Alte die Geduld. «Aufhören!»

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