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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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keine Tänzerinnen, man drehte sich mit Zow, Toft und Giml. Wenn wir jetzt diskutieren, verbinden wir uns die Augen. Wir gehen zu Tomaschewski, und die Tränen kollern uns über die Backen. Wir wissen nicht mehr, wer Petschorin oder Aksakow sind. Wenn in einem Bühnenstück ein Jude ein Bordell besucht - vielleicht hat er sich verlaufen! -, schämen sich alle für den Verfasser. Aber ein guter Jude kann im Schlachthaus sitzen und nur an Jehova denken. Einmal sah ich in Bucuresti, wie ein heiliger Mann eine Flasche Wodka allein austrank und dann drei Stunden ohne Unterbrechung redete. Er sprach vom Satan. Er erweckte einen solchen Schauder vor ihm, daß ich ihn riechen konnte. Als ich aus dem Cafe trat, sah mir alles satanisch aus. Ich mußte in ein öffentliches Haus gehen - Entschuldigung! -, um den Schwefelgeruch loszuwerden. Es war eine Glut darin wie in einem Feuerofen, die Mädchen sahen wie rosige Engel aus. Selbst Madame, die sonst nicht von einem Geier zu unterscheiden war. Eine herrliche Nacht habe ich dort verlebt! Nur weil der Tzaddik zuviel Wodka getrunken hatte . . .
    Ja, es ist gut, dann und wann mal zu sündigen, nur darf man dabei kein Schwein werden. Sündigen mit offenen Augen. Tauche unter in den Freuden des Fleisches, aber sieh zu, daß du wieder herauskommst. In der Bibel gibt es genug Patriarchen, die den Regungen des Fleisches nachgaben, aber den einen Gott nie aus den Augen verloren. Unsere Ahnen waren Männer des Geistes, aber sie hatten Fleisch auf den Knochen. Man konnte eine Konkubine nehmen und doch seiner Frau Achtung erweisen. Die Huren lernten ja schließlich ihren Beruf an den Toren des Tempels. Ja, die Sünde war damals immer gegenwärtig, aber auch Satan. Jetzt haben wir die Ethische Kultur, und unsere Kinder werden Textilfabrikanten, Gangster und Musiker. Bald wird man Trapezkünstler und Hockeyspieler aus ihnen machen ...»
    «Ja», sagte Reb aus den Tiefen seines Sessels, «jetzt sind wir gar nichts mehr. Einst hatten wir Stolz ...»
    Elfenbein schnitt ihm das Wort ab. «Jetzt spricht der Jude wie der Goi, für den nur der Erfolg etwas bedeutet. Jetzt schickt der Jude seinen Sohn auf die Kadettenanstalt, damit er lernt, andere Juden zu töten. Seine Tochter bringt er nach Hollywood, damit sie sich dort als Ungarin oder Rumänin durch Zurschaustellung ihrer Nacktheit einen Namen macht. Anstatt großer Rabbiner haben wir jetzt Schwergewichtsboxer. Wir haben sogar Homosexuelle. Weh ist mir . Bald werden wir jüdische Kosaken haben.»
    Als ob er den Kehrreim dazu sagte, seufzte Reb: «Der Gott Abrahams ist nicht mehr.»
    «Sie sollen nur ihre Nacktheit zeigen», fuhr Elfenbein fort, «aber sich nicht als Heidinnen gebärden. Sie sollten an ihre Väter denken, die Hausierer und Gelehrte waren und unter den Hacken der Rowdies zertrampelt wurden.»
    So sprang er von Thema zu Thema wie eine Gemse im Hochgebirge von Fels zu Fels. Zwischen Mordekai und Ahasver reihte sich Lady Windermere's Fan ein, auf den dann Sodom und Gomorrha folgten. In einem Atemzug erging er sich über The Shoemaker's Holiday und die verlorenen Stämme Israels. Und immer wieder kam er auf die Krankheit der Heiden zurück, die er eine Arschkrankheit nannte. Dieses neue Ägypten, in dem man sich befände, sei ohne Größe und ohne Wunder. Und jene Krankheit sitze nun im Gehirn. Lauter Grillen und Unsinn. Selbst die Juden warten auf den Tag der Auferstehung. Für sie wäre das wie ein Krieg ohne Dumdumgeschosse.
    Er wurde von seinen eigenen Worten hingerissen, und dabei trank er nur Selterswasser. Das Wort «Wonne», das er hatte fallenlasssen, schien eine Explosion in seinem Gehirn hervorzurufen. Was war Wonne? Ein langer Schlaf in der Muttertrompete. Oder - Hunnen ohne Schrecklichkeit . Oder die Donau, wenn sie immer blau ist wie in einem Straußschen Walzer. Ja, so gab er zu, in den fünf Büchern Moses stehe eine Menge Unsinn. Das vierte Buch jedoch sei nicht ganz dürrer Formelkram, sondern von erregender teleologischer Tiefe. Was die Beschneidung beträfe, könne man ebensogut von gehacktem Spinat reden, denn sie habe dieselbe Wichtigkeit. Die Synagogen röchen nach Chemikalien und Insektenpulver. Die Amalektiter seien die geistlichen Küchenschaben jener Zeit wie die Anabaptisten heute. «Kein Wunder», rief er aus, indem er uns mit prophetischer Gebärde erschreckte, .«daß alles in einem ‹chassotischen› Zustand ist.» Wie riehtig seien die Worte des Tzaddik, der da sagte: «Außer ihm gibt es nichts, das

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