Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
Vom Netzwerk:
wo Platz genug war, um wieder unbehindert von der Stelle zu kommen. Das beruhigte mich. Wenn möglich, wählte ich immer die Seitenstraßen, aber sie führten ja auf die Hauptstraße zurück. Als wir dreißig Kilometer zurückgelegt hatten, war ich in Schweiß gebadet. Ich hatte gehofft, bis Bluepoint zu kommen, wo ich als Junge so herrliche Ferientage verlebt hatte, aber es gelang mir nicht. Es war auch besser so, denn als ich es später wiedersah, brach mir das Herz. Es hatte sich so verändert, daß ich es nicht wiedererkannte.
    Ich streckte mich schließlich neben der Straße aus, und als ich die anderen Idioten vorbeifahren sah, schwor ich mir, nie wieder selbst zu steuern. Mona freute sich über meine Niedergeschlagenheit. «Du bist nicht zum Autofahren geschaffen», sagte sie, und ich stimmte ihr bei.
    «Ich wüßte nicht einmal, was ich tun sollte, wenn mir ein Reifen platzte», sagte ich.
    «Was würdest du tun?» fragte sie.
    «Aussteigen und heimgehen», erwiderte ich.
    «Das sieht dir ähnlich.»
    «Sag Reb nur nicht, wie es mir ergangen ist», bat ich sie. «Er glaubt, er erweist uns einen großen Gefallen. Ich möchte ihn nicht enttäuschen.»
    «Müssen wir wirklich heute abend zum Essen hingehen?»
    «Natürlich.»
    «Dann laß uns wenigstens früh heimgehen.»
    «Leichter gesagt als getan», erwiderte ich.
    Auf dem Rückweg hatten wir eine Panne. Glücklicherweise kam uns ein Lastwagenfahrer zu Hilfe. Dann fuhr ich auf einen alten, abgetriebenen Karren auf, aber dem Fahrer schien das gleichgültig zu sein. Zuletzt kam das große Problem: wie sollte ich den Wagen durch die enge Garageneinfahrt bringen? Ich kam halb herein, glitt dann wieder zurück und wäre beinahe mit einem fahrenden Lastwagen zusammengestoßen. Ich ließ das Auto draußen stehen, halb auf der Straße und halb auf dem Trottoir. «Der Teufel soll dich holen!» fluchte ich. «Sieh zu, wie du allein hineinkommst!»
    Wir hatten nicht weit zu gehen. Mit jedem Schritt, den ich mich von dem Ungeheuer entfernte, wurde mir leichter ums Herz. Froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein, dankte ich Gott, daß er mich zu einem Tölpel in technischen Dingen - und vielleicht auch in anderen - gemacht hatte. Es gab Holzhauer und Wasserträger - und außerdem gab es noch die Zauberer des technischen Zeitalters. Ich gehörte in die Zeit der Rollschuhe und der Fahrräder. Was für ein Glück, intakte Arme und Beine, schnelle Füße und einen ausgezeichneten Appetit zu haben. Ich konnte auf meinen eigenen zwei Füßen nach Kalifornien und wieder zurückgehen. Und wenn ich neunzig Kilometer in der Stunde fahren wollte, so konnte ich das leichter haben: im Traum. Ich konnte im Augenblick zum Mars und wieder zurückkommen - und ohne Panne . . .
    Es war unsere erste Einladung bei Essens. Wir kannten bis jetzt weder Rebs Frau noch seinen Sohn und seine Tochter. Die Familie wartete schon auf uns, der Tisch war gedeckt, die Kerzen flackerten, der Ofen glühte, und ein herrlicher Duft kam aus der Küche.
    «Erst mal einen Schluck Wein!» sagte Reb und stellte uns zwei Gläser schweren Port hin. «Wie war's? Sind Sie nervös geworden?»
    «Nicht die Spur. Wir sind bis Bluepoint gefahren.»
    «Nächstes Mal geht's bis nach Montauk Point.»
    Jetzt beteiligte sich auch Essens Frau an der Unterhaltung. Sie war eine gute Seele, wie Reb mir schon gesagt hatte. Vielleicht ein bißchen zu fein für ihn. Irgendwo war ein toter Punkt. Wahrscheinlich im Hinterteil.
    Es fiel mir auf, daß sie ihren Mann kaum anredete. Dann und wann tadelte sie ihn wegen seiner schlechten Manieren oder wegen seiner ungeschliffenen Sprechweise. Man konnte auf den ersten Blick sehen, daß sie nichts mehr gemeinsam hatten.
    Mona machte einen großen Eindruck auf die zwei Kinder, die in den Flegeljahren und im Backfischalter waren. (Offenbar hatten sie noch nie einen Typ wie sie kennengelernt.) Die Tochter war zu dick, nicht schön und mit außergewöhnlich kurzen und plumpen Beinen ausgestattet. Sie bemühte sich nach besten Kräften, sie zu verstecken, wenn sie sich setzte. Sie errötete ziemlich häufig. Der Sohn gehörte zu den frühreifen Burschen, die zuviel reden und lachen und immer das Falsche sagen. Voll überschüssiger Energie und reizbar stieß er immer etwas um oder trat anderen auf die Zehen. Ein richtiger Zappelf ritze, der auch geistig gern Känguruhsprünge machte.
    Als ich ihn fragte, ob er noch zur Synagoge ginge, verzog er das Gesicht, faßte sich mit zwei Fingern an den

Weitere Kostenlose Bücher