Nexus
Kandiszucker, Gewürznelken und Muskat in sich. Amerikaner haben scheußliche Stimmen, keine Seele drin. Jakob Ben Ami hatte ein wunderbares Organ. . . gute Suppe, die nie sauer wird. Aber er schleppte seine Stimme umher wie eine Schildkröte. Eine Frau soll vor allem ihre Stimme pflegen. Sie sollte auch mehr an den Inhalt des Stückes denken. . . nicht an ihren Hintermann. . . Hinterteil wollte ich sagen. Jüdische Schauspielerinnen haben gewöhnlich zuviel Fleisch . . . Wenn sie über die Bühne gehen, wabbelt es wie Gelee. Aber sie haben Kummer in ihrer Stimme . .. Sorge . Sie brauchen sich nicht erst auszumalen, wie ein Teufel eine Brust mit einer glühenden Zange wegzwickt. Ja, Sünde und Sorge sind die besten Elemente der dramatischen Kunst. Und ein bißchen Phantasie. Wie bei Webster oder Marlowe. Ein Schuhmacher, der jedesmal, wenn er auf das Wasserklosett geht, mit dem Teufel spricht. Oder sich in einen Bohnenstengel verliebt, in der Moldau, zum Beispiel. Die irischen Stücke sind voll von Irren und Trunkenbolden, und der Unsinn, den sie reden, ist heiliger Unsinn. Die Irländer sind immer Dichter, besonders wenn sie es nicht drauf anlegen. Auch sie haben Qualen ausgestanden, wenn auch nicht ganz so viele wie die Juden, aber immerhin genug. Niemand ißt gern dreimal täglich Kartoffeln oder benützt eine Mistgabel als Zahnstocher. Große Schauspieler, die Irländer. Geborene Schimpansen. Die Engländer sind zu verfeinert, zu geistig. Eine männliche Rasse, aber kastriert. . .»
An der Tür entstand ein Gepolter. Sid Essen kehrte von seinem Spaziergang mit einigen räudig aussehenden Katzen zurück, die er unterwegs aufgelesen hatte. Seine Frau versuchte, sie hinauszuscheuchen.
«Elfenbein!» rief er und schwenkte seine Mütze. «Willkommen! Wie kommst denn du hierher?»
«Ja, wie wird das wohl zugegangen sein? Meinst du nicht, daß mich meine zwei Füße hergetragen haben?» Er trat einen Schritt vor. «Laß mich deinen Atem riechen!»
«Geh weg, geh weg! Hast du mich je betrunken gesehen?»
«Nur wenn du zu glücklich warst — oder nicht so unglücklich.»
«Ein famoser Kerl, dieser Elfenbein», sagte Reb und legte ihm liebevoll den Arm auf die Schulter. «Der jiddische König Lear . .. Was ist denn das? Die Gläser sind leer.»
«Wie dein Geist», sagte Elfenbein. «Trink vom Geist. Wie Moses. Aus dem Felsen sprudelt Wasser, aus der Flasche nur Torheit. Du solltest dich schämen, Sohn des Zweifels, daß du so durstig bist.»
Die Unterhaltung verzettelte sich jetzt. Mrs. Essen war die Katzen losgeworden, hatte den Flur gereinigt und strich sich wieder einmal das Haar aus der Stirn. Jeder Zoll eine Dame. Keine Erbitterung, keine Vorwürfe. Frostig in jener verfeinerten Art, wie es sich für eine Anhängerin Ethischer Kultur geziemt. Sie setzte sich ans Fenster, zweifellos in der Erwartung, die Unterhaltung werde jetzt in vernünftige Bahnen einlenken. Sie hatte Elfenbein gern, aber er redete ihr zuviel von der Alten Welt, und seine Grimassenschneiderei und seine abgestandenen Witze gingen ihr auf die Nerven.
Der jüdische König Lear war jetzt nicht mehr zu halten. Er hatte sich in einen endlosen Monolog über das Zendavesta eingelassen, aus dem er hin und wieder zum Buch der Etikette abschweifte, vermutlich ein jüdisches Buch, obschon es nach den Zitaten, die er daraus anführte, ebensogut hätte chinesisch sein können. Er hatte gerade behauptet, nach Zarathustra sei der Mensch auserwählt worden, das Werk der Schöpfung fortzusetzen. Dann fuhr er fort: «Der Mensch ist nichts, wenn er nicht an diesem Werk mitarbeitet. Gott wird nicht durch Gebete und Injektionen lebendig erhalten. Der Jude hat dies alles vergessen . . . und der Goi ist ein geistiger Krüppel.»
Eine wirre Diskussion folgte diesen Worten, was Elfenbein offenbar Spaß machte. Mittendrin begann er mit voller Lungenstärke zu singen: «Rumänie, Rumänie, Rumänie . . . a mamiligele . . . a pastra-mele . . . a karnatsele . . . un a gläsele Wein, Aha!»
«Da sehen Sie», sagte er, als sich der Lärm gelegt hatte, «selbst in einem liberalen Haus ist es gefährlich, Ideen einzuführen. Es gab eine Zeit, wo einem eine solche Unterhaltung wie Musik in die Ohren klang. Der Rabbi nahm ein Haar und teilte es mit einem rasierklingenscharfen Messer in tausend Härchen. Niemand brauchte ihm beizupflichten, es war eine Übung, sie schärfte den Geist und ließ uns die Schrecken der Verfolgung vergessen. Wenn die Musik spielte, brauchte man
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