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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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klaren Augen überblickt, ist es ein Hokuspokus, und noch dazu ein großer. Man stelle sich vor, daß ein Mensch sein Leben damit zubringt, andere zu verteidigen oder zu überzeugen! Die ganze Juristerei ist durchaus ungesund. Niemand ist auch nur um ein Haar besser dran, weil wir Gesetze haben. Nein, es ist ein Narrenspiel, dem man einen pompösen Namen gibt, um ihm Würde zu verleihen. Morgen sitze ich vielleicht auf dem Richterstuhl. Ein Richter, stellen Sie sich das vor! Werde ich dann eine bessere Meinung von mir haben, weil ich zum Richteramt berufen worden bin? Werde ich etwas ändern können? Gar nichts. Wie aber werde ich das Spiel spielen . . . diesmal das Richterspiel. Darum sage ich, wir sind schon von Anfang an die Betrogenen. Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß wir alle eine Rolle zu spielen haben, und man kann wohl nichts anderes tun als diese Rolle so gut spielen, wie es einem möglich ist. Nun, meine Rolle gefällt mir nicht. Schon der Gedanke, eine Rolle spielen zu müssen, geht mir wider den Strich. Es hilft mir auch nichts, daß man die verschiedenen Rollen austauschen kann. Verstehen Sie mich? Es ist Zeit, daß wir eine neue Ordnung bekommen, einen neuen Anfang machen. Die Gerichte müssen weg, die Gesetze müssen weg, die Polizei muß weg, die Gefängnisse müssen weg. Was wir treiben, ist Irrsinn. Darum ficke ich mir das Gehirn weg. Wenn Sie alles in demselben Licht sehen könnten wie ich, würden Sie das ebenfalls tun.» Er sprühte knatternd Funken wie ein Feuerwerkskörper und verzischte.
    Nach kurzem Schweigen teilte er mir mit, wir wären bald da. «Wie ich Ihnen schon sagte, tun Sie so, als wären Sie zu Hause. Tun und sagen Sie, was Sie wollen. Niemand wird Ihnen in den Weg treten. Wenn Sie einen Gang mit ihr wagen - von mir aus! Okay! Nur dürfen Sie das nicht zur Gewohnheit werden lassen.»
    Das Haus war in Dunkelheit gehüllt, als wir in den Zufahrtsweg bogen. Auf den Tisch im Eßzimmer war ein Zettel geheftet. Er war von Belle, der großen Fickerin. Sie habe lange genug gewartet, sie glaube nicht mehr, daß wir kämen, und so weiter.
    «Wahrscheinlich in die Stadt gefahren, um dort die Nacht mit einem Freund zu verbringen.»
    Er schien sich nicht sehr darüber aufzuregen, muß ich sagen. Er knurrte ein paarmal: «dies Biest» oder «dies Aas» und ging dann zum Kühlschrank, um nachzusehen, ob noch was zu essen da war.
    «Wir können ruhig die Nacht hierbleiben», sagte er. «Sie hat uns Bohnengemüse und kalten Schinken dagelassen. Genügt Ihnen das?»
    Als wir die Reste wegputzten, erfuhr ich, oben wäre ein gemütliches Zimmer mit zwei Betten. «So, jetzt können wir uns mal richtig ausquatschen.»
    Das Bett verlockte mich, weil ich todmüde war. An einer intimen Aussprache lag mir wenig. Bei Stymer schien nichts die Maschine seines Geistes auf langsamere Gangart bringen zu können - weder Frost, noch Alkohol, noch Müdigkeit.
    Ich wäre sofort eingeschlafen, sobald mein Kopf das Kissen berührte, hätte Stymer nicht auf so merkwürdige Art das Feuer eröffnet. Ich war plötzlich so hellwach, als hätte ich eine doppelte Dosis Pervitin genommen. Seine ersten Worte sprach er in einem ruhigen, gleichmäßigen Tonfall, aber sie elektrisierten mich.
    «Überraschen kann Sie so leicht nichts, wie ich merke. Nun, wollen wir mal sehen, wie dies auf Sie wirkt...»
    So begann er.
    «Ich bin zum Teil deshalb ein so guter Rechtsanwalt, weil ich gleichzeitig etwas von einem Verbrecher an mir habe. Sie würden mich kaum für fähig halten, den Tod eines anderen Menschen zu planen, nicht wahr? Nun, ich trage mich mit dem Gedanken. Ich habe mich entschlossen, meine Frau aus dem Wege zu räumen. Ich weiß nur noch nicht, wie. Es ist auch nicht wegen Belle, sondern nur weil sie mich zu Tode ärgert. Ich kann das nicht mehr ertragen. Seit zwanzig Jahren habe ich kein vernünftiges Wort mehr von ihr vernommen. Sie hat mich bis in den letzten Graben getrieben, und sie weiß das. Über Belle weiß sie Bescheid, ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht. Ihr kommt es nur darauf an, daß die Sache nicht bekannt wird. Hol sie der Teufel, sie hat mich zur Masturbation getrieben. Fast von Anfang an war sie mir so zuwider, daß der Gedanke, mit ihr zu schlafen, mir Übelkeit verursachte. Ja, wir hätten uns scheiden lassen können. Aber warum sollte ich mein ganzes Leben lang für einen Erdklumpen zahlen müssen? Seitdem ich mich in Belle verliebt habe, kann ich doch etwas freier atmen, nachdenken und

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