Nexus
philosophische Abhandlung?»
«Nichts», sagte ich, «nichts Wichtiges.»
«Sonderbar. Früher war alles, was du tatest, wichtig. Geh, warum tust du so geheimnisvoll? Ich weiß, ich habe dich gestört, aber das ist kein Grund, daß du dich vor mir verschließt.»
«Wenn du es unbedingt wissen willst, ich schreibe an einem Roman.»
«An einem Roman? Ach du liebe Güte, Hen, mach dich doch nur nicht an so was . . . Du bringst ihn nie zustande.»
«Warum? Was macht dich so sicher?»
«Weil ich dich kenne, darum. Du hast kein Gefühl für eine spannende Handlung.»
«Muß ein Roman immer eine spannende Handlung haben?»
«Schau, ich will dir nicht den Hahn zudrehen, aber.. . Warum hältst du dich nicht an das, was du kannst? Du kannst alles schreiben, aber keinen Roman.»
«Wie kommst du auf den Gedanken, daß ich überhaupt schreiben kann?»
Er senkte den Kopf, wie wenn er über eine Antwort nachdächte.
«Von meinem Schreiben hast du nie viel gehalten», sagte ich, «damit stimmst du mit allen anderen überein.»
«Nein, nein, schreiben kannst du», sagte er. «Vielleicht hast du noch nichts hervorgebracht, was das Ansehen lohnt, aber du hast ja Zeit. Das Schlimme mit dir ist, du bist zu hartnäckig.»
«Hartnäckig?»
«Ja, störrisch wie ein Maultier. Du willst durch die Vordertür hineinkommen. Du möchtest anders sein, aber du willst den Preis nicht bezahlen. Schau, warum kannst du nicht als Reporter anfangen, dich langsam hocharbeiten, Korrespondent werden und dann das große Werk in Angriff nehmen. Sag mir das!»
«Weil es Zeitverschwendung wäre.»
«Andere haben es so gemacht. Größere Leute als du, einige wenigstens. Shaw zum Beispiel.»
«Für ihn mag das richtig gewesen sein», erwiderte ich, «ich habe meinen eigenen Weg.»
Ein paar Augenblicke herrschte Schweigen. Ich erinnerte ihn an einen lange zurückliegenden Abend auf seinem Büro, als er mir eine neue Zeitschrift zuwarf und sagte, ich solle darin eine Erzählung von John Dos Passos lesen, der damals ein junger Schriftsteller war.
«Weißt du noch, was du mir damals gesagt hast? ‹Hen, warum machst du nicht so was Ähnliches? Du kannst ebensogut schreiben wie er. Lies, dann siehst du's !›»
«Ich habe das gesagt?»
«Ja, du erinnerst dich wohl nicht mehr dran? Nun, diese Worte, die du damals so unbekümmert fallenließest, sind in mir haftengeblieben. Ob ich jemals so gut werde wie John Dos Passos, gehört nicht hierher. Wichtig ist für mich, daß du anscheinend einmal gedacht hast, ich könnte schreiben.»
«Habe ich je was anderes gesagt, Hen?»
«Nein, aber du handelst anders. Du tust, als wärst du mit mir an irgendeinem hoffnungslosen Unternehmen beteiligt. Du möchtest, ich soll es genauso machen wie die anderen, auf ihre Art, ihre Irrtümer wiederholen.»
«Du bist aber empfindlich! Also los, schreib deinen verdammten Roman! Schreib dir deinen dummen Kopf weg, wenn du willst! Ich wollte dir nur einen kleinen freundschaftlichen Rat geben... Ich bin aber nicht hergekommen, um mit dir über Literatur zu reden. Ich bin in der Klemme, ich brauche Hilfe, und nur du kannst mir helfen.»
«Wie?»
«Ich weiß nicht. Aber ich will dir zuerst ein paar Aufklärungen geben, dann wirst du mich besser verstehen. Eine halbe Stunde kannst du dich doch freimachen, nicht wahr?»
«Ich glaube schon.»
«Na also . .. Du erinnerst dich wohl noch an das Lokal in Greenwich Village, das wir immer an Samstagnachmittagen besuchten. Georges Stammlokal. Vor etwa zwei Monaten ging ich wieder mal hin, um zu sehen, was dort los war. Es hatte sich nicht viel verändert... Noch immer dieselbe Art Mädchen wie damals. Ich langweilte mich. Ich trank ein paar Gläser still vor mich hin, niemand machte mir Augen. Ich tat mir selbst ein bißchen leid. Du wirst alt, sagte ich mir. Da fielen meine Blicke auf ein Mädchen, das zwei Tische von mir weg saß, ebenfalls allein!»
«Zweifellos eine strahlende Schönheit.»
«Nein, Hen. Nein, das möchte ich nicht sagen. Aber andersartig. Jedenfalls machte ich sie auf mich aufmerksam und bat sie um einen Tanz. Nach dem Tanz setzte sie sich zu mir. Wir tanzten nicht mehr, sondern saßen nur da und unterhielten uns. Bis zum Schluß. Ich wollte sie heimbringen, aber sie lehnte das ab. Ich fragte sie nach ihrer Telefonnummer, und auch die verweigerte sie mir. ‹Vielleicht treffen wir uns hier am nächsten Samstag wieder›, sagte ich. ‹Möglich›, erwiderte sie. Das war alles ... Hast du vielleicht etwas zu
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