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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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unnötig, sich nach Art gewisser disziplinierter Seelen von Menschendung zu nähren oder sich mit den Toten zu paaren, ebenso, sich wie Einsiedler der Nahrung, des Alkohols, des Geschlechtsverkehrs und der Rauschgifte zu enthalten. Auch ist niemand verpflichtet, Stunden auf Stunden die Tonleiter in Dur und Moll, die Arpeggios, Pizzicatos und Kadenzen herunterzuklappern, wie es die Nachfahren Liszts, Czernys und anderer Feuerwerksvirtuosen machten. Auch sollte man nicht sklavisch nach den ballistischen Regeln betrunkener Semantiker Worte wie Knallfrösche explodieren lassen. Es genügt vollkommen, sich zu räkeln, zu gähnen, zu krächzen, zu furzen und zu wiehern. Regeln sind für Barbaren, technische Fertigkeiten für Troglodyten. Weg mit den Minnesängern, selbst mit jenen aus Kappadozien!
    So gerieten, während ich fleißig und sklavisch die Art der Meister nachahmte - mit anderen Worten ihre Werkzeuge und ihre Technik gebrauchte -, meine Instinkte in Aufruhr. Wenn ich mich nach magischen Kräften sehnte, so nicht, um neue Gebäude aufzuführen, nicht, um den Turm von Babel noch höher zu bauen, sondern um zu zerstören und zu unterminieren. Den Roman mußte ich schreiben. Point d'honneur . Aber nachher. . .? Aber nachher - Rache! Das Land verheeren und verwüsten, aus der Kultur eine offene Kloake machen, so daß der Gestank für immer in den Nasenlöchern der Erinnerung haftenbleibt. Alle meine Idole - und ich besaß ein wahres Pantheon -würde ich dafür opfern. Was sie mir an Ausdrucksfähigkeiten gegeben hatten, wollte ich zu Flüchen und Lästerungen benutzen. Hatten nicht die Propheten der alten Zeit Zerstörung vorausgesagt? Hatten sie je gezögert, ihre Rede mit Schimpfwörtern zu spicken, um die Toten zum Leben zu erwecken? Wenn ich als Gefährten nur Taugenichtse und Straßenlümmel hatte, war das nur zufällig? Waren nicht auch meine Idole in einem tieferen Sinn Lümmel und Strolche? Schwammen sie nicht auf der Flut der Kultur, wurden sie nicht hin und her gestoßen wie armselige Proletarier? Waren ihre Dämonen nicht ebenso erbarmungslos wie Sklaventreiber? Wirkte nicht alles zusammen - die großen, die edlen, die vollkommenen Werke mit den niedrigen, den schmutzigen, den gemeinen —, um das Leben jeden Tag unerträglicher zu machen? Welchen Sinn hatten die poetischen Nachrufe, die Maximen und Ratschläge der Weisen, die Paragraphen und Verbotstafeln der Gesetzgeber, welchen Zweck Politiker, Denker, Künstler, wenn gerade die Elemente, aus denen sich das Leben zusammensetzt, nicht transformiert werden können?
    Nur einem Menschen, der noch nicht seinen Weg gefunden hat, ist es erlaubt, alle falschen Fragen zu stellen, alle falschen Pfade zu gehen, auf die Zerstörung aller bestehenden Werte und Formen zu hoffen und sie sehnlichst zu wünschen. Verdutzt und betroffen, strebend und bebend, grinsend und spottend war es kein Wunder, daß ich mitten in einem Gedanken, einem Juwel von einem Gedanken, mich manchmal ertappte, wie ich mit völlig leerem Geist geradeaus starrte wie ein Schimpanse, der dabei ist, einen anderen Schimpansen zu besteigen. Auf diese Weise zeugte Abel Bogul und Bogul Mogul. Ich war der Letzte der Linie, ein Hund Zobels mit einem Knochen zwischen den Zähnen, den ich weder kauen noch zermalmen konnte, dem beizukommen ich schon auf jede mögliche Weise versucht hatte, auf den ich gespuckt und geschissen hatte. Bald würde ich auf ihn pissen und ihn begraben. Dieser Knochen hieß Babel.
    Ein großartiges Leben, das literarische Leben. Nie würde ich es besser bekommen. Solche Werkzeuge! Solche Technik! Wie könnte jemand, außer wenn er mich wie einen Schatten begleitet hätte, die Myriaden entlegener Plätze kennen, auf denen ich nach Erz gegraben habe? Oder die unendlich verschiedenen Vogelarten, die mir zusangen, als ich meine Schächte und Gänge grub? Oder die kakelnden, vor Lachen prustenden Gnome und Elfen, die mir aufwarteten, während ich arbeitete, die mir in treuer Ergebenheit die Hoden kitzelten, die meine Zeilen durchprobten oder mir die in Kieseln, Zweigen, Flöhen, Läusen und im Blütenstaub verborgenen Geheimnisse enthüllten? Wer könnte die vertraulichen Mitteilungen meiner Idole kennen, die mir nachts immer Botschaften zusandten, oder die verschlüsselten geheimen Anweisungen, durch die ich lernte, zwischen den Zeilen zu lesen, falsche biographische Angaben richtigzustellen und Licht über gnostische Kommentare zu verbreiten? Nie war ein solideres Festland unter

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