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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Ich berührte neulich diesen Punkt in meinem Roman. Weißt du, zu welchem Schluß ich kam?»
    «Daß man besser allein lebt.»
    «Nein, ich kam zu demselben Schluß wie jeder Esel... daß das Wichtige ist weiterzuleben. Selbst wenn sie einen anderen heiraten sollte, könntest du ohne sie weiterleben. Was meinst du dazu?»
    «Leichter gesagt als getan, Hen.»
    «Richtig. Jetzt kannst du zeigen, was du vermagst. Die meisten Männer geben auf. Angenommen, sie entschlösse sich, in Hongkong zu leben. Was hat die Entfernung damit zu tun?»
    «Du redest Christian Science, Mensch. Ich bin in keine Jungfrau Maria verliebt. Warum soll ich mich still verhalten und zusehen, wie sie mir davonschwimmt? Was du da sagst, gibt keinen rechten Sinn.»
    «Davon will ich dich ja überzeugen. Darum ist es nutzlos, daß du mit deinen Problemen zu mir kommst. Wir sehen nicht mehr mit gleichen Augen. Wir sind alte Freunde, die nichts mehr gemeinsam haben. »
    «Meinst du das wirklich, Hen?» Sein Ton war eher nachdenklich als vorwurfsvoll.
    «Ja, einst waren wir so eng zusammen wie Erbsen in einer Schote – du, George Marshall und ich. Wir waren wie Brüder. Es ist lange her. Es liegt allerlei dazwischen. Irgendwo brach die Verbindung ab. George setzte sich zur Ruhe wie ein reuiger Hochstapler. Seine Frau hatte ihn geschafft...»
    «Und ich?»
    «Du hast dich in deine Juristerei vergraben, obschon du sie verachtest. Eines Tages wirst du Richter werden, verlaß dich drauf. Aber darum wird dein Leben nicht anders werden. Du hast deinen Geist schon aufgegeben. Außer Poker interessiert dich nichts mehr. Du glaubst, mein Leben sei verpfuscht. Allerdings, ich gebe es zu. Aber nicht in dem Sinn, wie du meinst.»
    Seine Erwiderung überraschte mich ein wenig. «Du hast so unrecht nicht, Hen. George und ich sind tatsächlich Spießer geworden. Aber die anderen nicht minder (er meinte die Mitglieder der Xerxes-Gesellschaft). Keiner von uns taugt etwas. Aber was hat das alles mit Freundschaft zu tun? Müssen wir eine hervorragende Rolle in der Welt spielen, um Freunde zu bleiben? Tu doch nicht so gespreizt und vornehm. Wir haben uns nie für Himmelsstürmer gehalten, George und ich. Wir sind, wie wir sind. Sind wir dir etwa nicht gut genug?»
    «Sieh mal», erwiderte ich, «es würde mir gar nichts ausmachen, wenn du ein Landstreicher wärst, da könnten wir noch richtige Freunde sein. Du könntest dich über meine Ansichten lustig machen, wenn du selbst welche hättest. Aber du hast keine. Du glaubst an nichts. Für mich muß aber jemand an das glauben, was er tut, sonst ist alles nur eine Farce. Ich wäre ganz für dich, wenn du Landstreicher werden würdest und es mit ganzem Herzen wärest. Aber was bist du? Du bist jetzt genau einer jener bedeutungslosen Menschen, die unsere Verachtung erregten, als wir beide jünger waren ... als wir die ganze Nacht aufsaßen und über Nietzsche, Shaw und Ibsen sprachen. Das sind für dich nur noch Namen. Du wolltest um Himmels willen nicht wie dein Vater werden - ‹nein, ich nicht !› Dich würde man nicht einfangen und zähmen. Aber man hat. Vielleicht hast du dich auch ganz gern einfangen lassen. Du hast dir selbst die Zwangsjacke angezogen. Du hast den leichtesten Weg gewählt. Du hast dich ergeben, noch ehe du überhaupt begonnen hattest zu kämpfen.»
    «Und dul» rief er, indem er die Hand vorstreckte, als wollte er sagen: Hört! Hört! «Was für eine große Leistung hast du vollbracht? Du wirst jetzt vierzig und hast noch nichts veröffentlicht. Was ist daran so Großes?»
    «Nichts», erwiderte ich, «es ist nur bedauernswert.»
    «Und das berechtigt dich, mir eine Moralpauke zu halten? Hoho!»
    Ich mußte eine kleine Berichtigung anbringen. «Ich habe dir keine Moralpauke gehalten, ich habe dir nur erklärt, daß wir nichts mehr gemeinsam haben.»
    «Von außen her gesehen sind wir beide Versager. Das haben wir gemeinsam, wenn du der Sache offen ins Gesicht siehst.»
    «Ich habe nie behauptet, ich sei ein Versager. Höchstens vor mir selbst vielleicht. Wie kann jemand versagt haben, solange er sich noch bemüht, noch weiterkämpft? Vielleicht werde ich nicht erreichen, was ich will. Vielleicht ende ich als Posaunenbläser. Aber was ich auch tue, was ich auch anfange, ich werde es tun, weil ich daran glaube. Ich werde nicht mit dem Strom schwimmen, lieber will ich kämpfend untergehen ... Als Versager, wie du sagst. Es ist mir unmöglich, mich nach anderen zu richten, in Reih und Glied zu treten, ja

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