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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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eine auf dem Boden der Tasche. Ich stand auf, ging zur Kommode, auf der die Tasche lag, und als ich sie öffnete, bemerkte ich einen Briefumschlag. Die Adresse war in Stasias Handschrift, und der Brief an Mona gerichtet. Im Nu stand Mona neben mir. Wenn sie nicht eine solche Aufregung gezeigt hätte, würde ich wahrscheinlich den Brief übersehen haben. Aber sie konnte sich nicht zurückhalten und griff nach ihm. Ich riß ihn ihr aus der Hand. Sie suchte ihn trotzdem zu erhaschen, und es entstand ein Handgemenge, in welchem der Umschlag zerriß und zu Boden fiel. Stasia nahm ihn auf und gab ihn Mona zurück.
    «Was soll dieser Unsinn?» versetzte ich und wiederholte unbewußt Kronskis Worte.
    Die beiden erwiderten sofort: «Der Brief geht dich nichts an.»
    Ich sagte nichts mehr, aber meine Neugier war geweckt. Ich hatte eine Ahnung, daß ich den Brief doch gelegentlich in die Hände bekommen würde. Besser so tun, als wenn er mich gar nicht interessierte.
    Später, an demselben Abend, sah ich, als ich aufs Klo ging, Fetzen des Umschlags im Becken schwimmen. Ich mußte lachen. Was für eine durchsichtige List, mir beizubringen, daß sie den Brief vernichtet hatten! So leicht war ich denn doch nicht hinters Licht zu führen.
    Ich fischte die Fetzen des Umschlags aus dem Becken und prüfte sie sorgfältig. An keinem haftete ein Teil des Briefes. Ich war jetzt sicher, daß sie den Brief selbst aufgehoben und irgendwo versteckt hatten, wo ich ihn bestimmt nicht suchen würde.
    Ein paar Tage später schnappte ich ein paar Worte auf, die nicht für meine Ohren bestimmt waren. Sie fielen während einer hitzigen Debatte zwischen den beiden. Sie hielten sich in Stasias kleinem Zimmer auf, wohin sie sich gewöhnlich zurückzogen, wenn sie etwas Geheimes zu besprechen hatten. Sie dachten wohl, ich sei nicht zu Hause, oder waren zu aufgeregt, um ihre Stimmen zu dämpfen. Und so vernahm ich, was ich niemals hätte hören sollen.
    Mona machte Stasia heftige Vorwürfe, weil sie in verrückter Weise Geld verschwendet hatte. Welches Geld? fragte ich mich. War sie zu einem Vermögen gekommen? Mona entrüstete sich darüber, daß Stasia irgendeinem wertlosen Idioten - den Namen konnte ich nicht verstehen - tausend Dollar gegeben hatte. Sie drängte ihre Freundin, sie solle sich bemühen, wenigstens einen Teil des Geldes zurückzubekommen. Aber Stasia wiederholte immer wieder, sie dächte nicht daran, es sei ihr gleich, was der Narr mit dem Geld anfange.
    Dann hörte ich Mona sagen: «Wenn du nicht achtgibst, wird man dich eines Nachts noch überfallen.»
    Worauf Stasia ganz unschuldig erwiderte: «Da werden die Wegelagerer kein Glück haben. Ich habe nichts mehr.»
    «Du hast nichts mehr?»
    «Natürlich nicht. Nicht einen roten Cent.»
    «Du bist verrückt.»
    «Das weiß ich. Aber wozu ist Geld denn da, wenn nicht zum Wegwerfen?»
    Ich hatte genug gehört. Ich beschloß, einen Spaziergang zu machen. Als ich zurückkehrte, war Mona nicht mehr da.
    «Wohin ist sie gegangen?» fragte ich, nicht beunruhigt, aber neugierig.
    Als Antwort erhielt ich nur ein Brummen.
    «Hat sie sich aufgeregt?»
    Wieder nur ein Brummen, dem dann die Antwort folgte: «Möglich. Mach dir keine Gedanken. Sie wird schon zurückkommen.» Aus ihrem Gebaren sah ich, daß sie innerlich froh war. Gewöhnlich war sie bei ähnlichen Gelegenheiten ängstlich gewesen oder hatte Mona gesucht.
    «Soll ich dir Kaffee kochen?» fragte sie. Noch nie hatte sie mir einen solchen Vorschlag gemacht.
    «Warum nicht?» sagte ich so freundlich wie möglich.
    Ich setzte mich an den Tisch, ihr gegenüber. Sie trank ihren Kaffee im Stehen.
    «Ein sonderbares Frauenzimmer ist sie, nicht wahr?» sagte Stasia ohne jede Einleitungsfloskel. «Was weißt du eigentlich über sie? Hast du je ihre Brüder, ihre Mutter oder ihre Schwester kennengelernt? Sie behauptet, ihre Schwester sei viel schöner als sie. Glaubst du das? Aber sie haßt sie. Warum? Sie erzählt einem alles mögliche und läßt einen dann in der Luft hängen. Alles muß zu einem Geheimnis gemacht werden. Hast du das schon bemerkt?»
    Sie legte eine Pause ein und schlürfte ihren Kaffee.
    «Wir hätten über eine Menge zu reden, wenn wir nur je dazu kämen. Wir zwei unter uns könnten vielleicht alles wieder zusammenflicken.»
    Ich wollte gerade bemerken, daß selbst der Versuch zwecklos sei, als sie ihren Monolog wiederaufnahm.
    «Du hast sie auf der Bühne gesehen, nicht wahr?»
    Ich nickte.
    «Weißt du, warum ich frage?

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